Die Domschule in Århus. Eine Stadtkerngrabung

Authors

  • H. H. Andersen
  • H. J. Madsen
  • H. H. Andersen

DOI:

https://doi.org/10.7146/kuml.v33i33.109700

Keywords:

Domschule, Århus, stadtkerngrabung, stadtmauer

Abstract

Die Domschule in Århus. Eine Stadtkerngrabung

Im Hofe der Domschule in Århus fand 1969 eine Stadtkerngrabung statt, die frühere Untersuchungen der Verfasser ergänzt, vlg. »Århus Søndervold«, 1971 und »Nygade in Århus«, Kuml 1966. An der Grabungsstelle, Fig. 1-2, wurde eine Fläche von 30 m2 intensiv untersucht, um Einblicke in die Archäologie der Altstadt in der Nähe der ehemaligen Strandlinie zu erhalten.

Befunde

Am Orte konnten Siedlungsschichten, Fig. 3-7, von knapp 2 m Stärke beobachtet und nachträglich in fünf keramische Horizonte unterteilt werden: Die ältesten Schichten gehörten in die jüngere Wikingerzeit, die jüngsten waren ganz rezent.

Die erste Besiedlungsphase wies drei Grubenhäuser ovaler Form auf, NG, NI und ADR, Fig. 8-11. Sodenwände und Endpfosten waren charakteristische Baumerkmale. Haus NG konnte völlig freigelegt werden und mass 2 X 2,60 m. Auf der Sohle erschien ein gepflasterter Herd. Zur nächstfolgenden Besiedlungsphase gehörten Konzentrationen von Pfostenlöchern, Fig. 12. Insgesamt hatten die ältesten Schichten oder Horizont I eine Stärke von 0,25 m. Ähnliche, gleichaltrige Befunde gab es am Süderwall, bloss waren die Grubenhäuser dort etwas grösser und bautechnisch entwickelter.

Die Horizonte 2-3 aus dem hohen und späten Mittelalter. ab etwa 1200, bestanden aus steinigen und sandigen Schichtcn von etwa 1 m Stärke. Darin erschien eine grosse Grube, NH, und an der Oberkante eine gepflasterte Strasse, AH, Fig. 7 und 13-17, mit zwei Fahrbahnen und einer Abflussrine in der Mitte.

Die Horizonte 4-5 aus der Neuzeit wiesen nur wenige Bebauungsspuren auf.

FUNDE

Die Keramik umfasste 3.805 Tonscherben. 3.520 Scherben wurden analysiert und auf fünf Horizonte bezogen. Die Horizonte 1-3 entsprechen denen am Süderwall, 4-5 waren dort gar nicht vertreten. Sie lassen hier die keramische Entwicklung bis in unsere Zeit verfolgen. Ein Keramikdiagramm, Fig. 18, illustriert die Weise der Bearbeitung. Zur Datierung der Horizonte:

Horizont 1. Etwa 900 zum Anfang des 13.Jahrhunderts

Horizont 2. Anfang des 13.Jahrhunderts bis etwa 1300

Horizont 3. Etwa 1300 bis etwa 1500

Horizont 4. Etwa 1500 bis etwa 1700

Horizont 5. Etwa 1700 bis etwa 1900

Die Keramik wurde in fünf Materialtypen aufgeteilt: Materialtyp I ist die wikingerzeitliche bis früh hochmittelalterliche Tonware, graubraun und bei niedrigen Temperaturen gebrannt, Materialtyp II die hoch- bis spätmittelalterliche, schwarzgraue, hart gebrannte Ware, Materialtyp III die rötliche, glasierte Keramik, Materialtyp IV das Steinzeug und Materialtyp V Fayence und Porzellan. Die Materialtypen verteilen sich auf die Horizonte in folgender Weise (s. Tabelle, s. 00):

Horizont 1 ist durch das prinzipiell ausschliessliche Auftreten des Materialtyps 1 gekennzeichnet, Scherben vom Materialtyp II verunreinigen aber z.T. den Horizont. Das Jütische halbkugelige Gefäss herrscht mit 45 nach innen geschwungenen Rändern gegenüber 6 auswärts geschwungenen Rändern völlig vor, Fig. 19a-b. Nur 27 Scherben waren verziert, Fig. 19c. Eine Sondergruppe (vgl. »Århus Søndervold«, Gruppe I n) umfasst 11 verzierte, grauschwarze Scherben mit senkrecht stehender Randlippe, feiner Magerung und härter gebrannt, Fig. 19d. Diese Gruppe hat Affinität zum Materialtyp II. Sie ist auch mit spätslawischer Keramik verwandt. Sie trat ais Übergangserscheinung zwischen Horizont 1 und 2 auf -Die meisten Gefässe besassen runde Böden. Es gab nur 9 Fragmente flacher Böden.

Horizont 2 ist dadurch gekennzeichnet, dass Materialtyp II-III den Materialtyp I verdrängt. Die neue Tonware erscheint in Århus am Anfang des 13.Jahrhunderts.

Materialtyp II tritt im Horizont 2 vor allem mit dem Kugeltopf auf, Fig. 20a. Es gab 41 auswärts geschwungene Ränder dieser Form, 11 davon mit gekehlter Innenseite. Nach innen geschwungene Ränder vom Materialtyp II sind aber, wenn auch selten, vorhanden. Schüssel mit markierten Rändern liessen sich in 26 Fällen beobachten, 16 davon wellenförmig und als ostjütische Sonderform aufzufassen, Fig. 20b. Der wellenförmige Rand tritt jedoch erst im oberen Teil des Horizontes auf Flache Böden kamen mit 24 Scherben vor, besonders im oberen Teil des Horizontes. Die schwarze Kanne war mit drei Scherben aus den obersten Schichten des Horizontes vertreten. Fünf Verzierungsarten liessen sich feststellen, Fig. 20c: 18 Scherben mit horizontalen Linien, 31 mit Wellenlinien, 4 mit Wellenlinien an der Mündung, 10 mit Fingereindrücken unter dem Rand und 5 mit Drehscheibenfurchen. Die drei letzterwähnten Verzierungen sind aber fast unbekannt im unteren Teil des Horizontes.

Materialtyp III, die glasierte, meist einheimische Ware ist definitorisch im Horizont 2 nur schwach repräsentiert, ja, im unteren Teil noch kaum vorhanden. Die Kanne ist völlig vorherrschend. Sie war mit Schuppen, Himbeeren, Blumen und farbigen Leisten verziert.

Eine verzierte Scherbe mit einer Menschenfigur, Fig. 21, rührt vom oberen Teil des Horizonts 2 bzw. vom unteren Teil des Horizonts 3 her. Diese Ware mag auf englischen Import zurückzuführen sein und wird in die Zeit um 1300 datiert. -Niederländisch­französischen Ursprungs mögen 8 Scherben aus weissem Pfeifenton und mit klarer, gelber Glasur sein.

Materialtyp IV, das deutsche Steinzeug, ist mit 22 Scherben repräsentiert, im unteren Teil des Horizonts 2 jedoch kaum vorhanden.

Horizont 3 ist dadurch gekennzeichnet, dass der Materialtyp III jetzt mit 20% der Tonware vertreten ist. Die Tradition des Horizonts 2 wird fortgeführt, aber mit Neubildungen. Was den Materialtyp II betrifft, ist der nach innen geschwungene Rand verschwunden. Der Kugeltopf mit nach aussen geschwungenem Rand ist mit 39 Randscherben vertreten, davon 17 mit gekehlter Innenseite. Der Schüssel ist mit 26 Randscherben vertreten, 14 davon wellenförmig. Die schwarze Kanne tritt mit 4 Scherben auf. Auch die fünf Verzierungsarten aus dem Horizont 2, s. oben, sind repräsentiert, hier mit den Frequenzzahlen: 15, 14, 2, 7 und 21. Es ist klar, dass die Drehscheibenfurche als Motiv beliebter geworden ist. -Neuartig erscheint im Horizont 3 ein bauchiges Gefäss mit Schulterknick, geglätteter Oberfläche und Verzierungen am Oberteil, Fig. 22. Etwa 10 Gefässe dieser Form liessen sich belegen. Sie dürfte eine spätmittelalterliche Neuerscheinung sein.

Materialtyp III ist jetzt mit 24 Scherben der glasierten Kanne vertreten. Die schon oben erwähnten Verzierungsarten erscheinen wieder, aber etwas sparsamer.

Materialtyp IV, Steinzeug, kommt jetzt mit 34 Scherben vor.

Horizont 4 ist schon nachmittelalterlich. Keramik ist viel schwächer repräsentiert als vorher und praktisch nur durch Materialtyp II und III, Fig. 23-24. Töpfe vom Materialtyp II sind jetzt geglättet, ja, zu 25% nach Art des jütepotts poliert. Im Materialtyp III, etwa 25% der Keramik, herrscht der Steertpott vor.

Horizont 5 ist spät neuzeitlich und durch das Hinzukommen des Materialtyps V charakterisiert. Ein Drittel der Scherben rührt vom Jütepott her. Im Materialtyp III sind vor allem der Steertpott und der Schüssel, z.T. mit Hornmalerei, zu erkennen.

Die keramische Entwicklung, die hier verfolgt werden konnte, ist im wesentlichen einheimisch. Materialtyp I ist durch jütische, wikingerzeitliche Formen gekennzeichnet, die im frühen Hochmittelalter Impulse der slawischen und norddeutschen Keramik erhalten. Mit Materialtyp II stellen wir einen Durchbruch des norddeutschen Einflusses fest, allerdings auf einheimischer Basis. Erst in nachmittelalterlicher Zeit erscheint der Jütepott. Im Materialtyp III lassen sich nur vereinzelt westeuropäische Importe beobachten. In nachmittelalterlicher Zeit verändert sich dieser Materialtyp grundlegend. Materialtyp IV, importiertes Steinzeug, ist dauernd schwach repräsentiert, obwohl man für das 15. und 16. Jahrhundert vielleicht ein reichhaltigeres Vorkommen hätte erwarten können.

Die Kleinfunde, Fig. 25-67, sind im Haupttext alphabethisch angeordnet worden, aber nach ihrer dänischen Bezeichnung. Notwendige Hinweise im folgenden werden in Klammern gebracht.

DATIERUNG

Zur Datieruung können folgende Überlegungen gemacht werden, indem wir jetzt auch die datierenden Kleinfunde berücksichtigen.

Horizont 1 ist besonders im Hinblick auf den Anfang zu untersuchen, d.h. die Siedlungsphase der Grubenhäuser. Davon rührt eine imitierte Terslevfibel, ABP (smykker), her. Sie würde auf die erste Hälfte des 10. Jahrhunderts als Anfang des Horizontes hinweisen. Eine arabische Münze, ADY (mønter), ist aus dem 10. Jahrhundert. Das Amulett YZ (amuletter) mit seinem heidnischen Gepräge unterstützt wohl den erwähnten Zeitansatz, und weitere Funde sind für das 10 .Jahrhundert gut zu belegen, so die Axt VR, der Schüssel RI, die Perle VO, die Pfeilspitze SL und drei Spinwirtel (økser, nøgler, perler, pilespidser, spindehjul). Stratigraphisch später sind der Sporn AAP und der Kamm ACB (sporer, kamme). Ihre Chronologie spricht auch nicht gegen eine etwas spätere Einbettung. Wie Leitfossilien folgen auch dem ganzen Horizont die Keramik vom Materialtyp I und mehrere Fundgruppen wie Speckstein, Webgewichte, bearbeitetes Geweih, kleine Wetzsteine und einseitige Kämme (klæbersten, vævevægte, bearbejdet ben og tak, hvæssesten, kamme). Obwohl es kaum Artefakte gibt, die sich ausschliesslich ins 11./12. Jahrhundert datieren lassen, können wir jedoch behaupten, dass die Schichten über dem Wohnhorizont der Grubenhäuser eine Fortsetzung der Besiedlung klar erkennen lassen, u.a. mit Inhalt der erwähnten Leitfossilien.

Horizont 2 beginnt am Anfang des 13.Jahrhunderts mit dem Erscheinen des Materialtyps II und des Zielgelsteines (tegl), vgl. »Århus Søndervold«, s. 87f und 224f. Die keramische Gruppe I n und nach innen geschwungene Ränder vom Materialtyp II deuten an, dass die Entwicklung direkt vom Horizont 1 zum Horizont 2 leitet, und am Übergang befinden sich auch die Doppelkämme JT , JV und ZM (kamme). Ausserdem erscheinen hier Artefakte wie der Schlüssel VL, das Fragment eines Webkammes, eine Pfeilspitze mit Tülle und die Waage ZB/AEB (nøgler, vævekamme, pilespidser, vægte). Die Ringnadel EL (ringnåle) wird als Form erst im 13. Jahrhundert unmodern und gegen 1300 hört sie auf (Tom Fanning, Galway University). Es wird auch generell auf das Keramikspektrum verwiesen. Die obere Grenze des Horizontes ist durch Münzen aus der Zeit um 1300 gekennzeichnet (mønter).

Horizont 3 umspannt die beiden letzten Jahrhunderte des Mittelalters. Darin gibt es Münzen aus dieser Zeit (mønter). Die zeitlichen Begrenzungen beruhen vor allem auf der Tonware. Der Horizont ist fundreich, gut datierende Artefakte aber selten.

Das Schloss GT (låse) lässt sich in die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts gut einpassen, und für die jüngeren Schichten zeigen wir auf die geglätteten Gefässe mit markierter Schulter. Ganz allgemein gehören viele Funde aus dem Horizont in unseren Zeitraum. Ein besonderer Fund, das Pilgerzeichen AZ (pilgrimsmærker) ist im 15. Jahrhundert häufig.

Horizont 4 ist schematischer dem Zeitraum 1500-1700 zugeschrieben worden. Der Jütepott und der Steertpott erscheinen, und Glas wird häufiger. Der Steigbügel AED, mit spätmittelalterlichen Typen verwandt, und der Henkel eines Kochkessels, BR, unterstützen die Anfangsdatierung des Horizontes (stigbøjler, gryder). Die Messer besitzen jetzt flache Griffzungen (knive).

Horizont 5 umspannt dann die Zeit ab etwa 1700 bis etwa 1900. Keramisch haben wir da den Jütepott und sehr viel glasierte Ware, z.T. mit Hornmalerei. Glas wird sehr häufig, und die Fayence erscheint sowie die Tonpfeife. Zahlreiche industriell hergestellte Gegenstände begleiten denn auch diesen modernen Horizont.

ERGEBNISSE

Bei nur 30 m2 Fläche leistete die Fundstelle ein Material, das vor dem Hintergrund des grösseren am Süderwall gesehen gewisse Aussagen ermöglicht. Die Übereinstimmungen sind auffällig. Vor allem wird das Fundbild ergänzt, was die Fortsetzung der Schichtenbildung betrifft. Wir können jetzt den Horizont 3 bis zum Ende um 1500 verfolgen, was am Süderwall nicht der Fall war.

Mit dem »Süderwall« übereinstemmend ist vor allem die einleitende Besiedlung, durch Grubenhäuser aus dem 10. Jahrhundert gekennzeichnet, wenn auch das Milieu an der Domschule primitiver scheint.

Horizont 2 war an der Domschule relativ schwach ausgebildet. U.a. fehlen hier die mit Dung angereicherten Kulturschichten.

Am interessantesten ist jedoch ein negativer Befund. Es gab keine Spuren nach einem Wall am Meeresufer. Die schon in »Århus Søndervold« vorgeschlagene ldee eines Halbkreis­walles um das alte Århus scheint deshalb an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Der Grabungsabschnitt IV befindet sich nämlich zur etwa 20 m von der alten Strandlinie, und es wäre zu erwarten, dass das Vorhandensein eines Walles erkennbar gewesen wäre, wenigstens als Abtragsschichten. Solche Schichten gab es aber nicht. Somit kann man anhand dieser Grabung feststellen, dass die Strandzone von der ältesten Zeit an aktiv ins Stadtgebiet einbezogen war und die ganze Zeit hindurch diese Position festhalten konnte. Besonders eindrucksvoll manifestiert sich dies durch eine spätmittelalterliche Strasse, die als Verlängerung der heutigen Strasse »Rosensgade« auf die Küste führt. Ungeachtet ihrer Kleinräumigkeit kann man deshalb dieser Grabung Bedeutung beimessen, was Überlegungen über die Entstehung der Stadt und ihre Topographie betrifft.

H. H. Andersen og H.J. Madsen

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Published

1985-10-08

How to Cite

Andersen, H. H., Madsen, H. J., & Andersen, H. H. (1985). Die Domschule in Århus. Eine Stadtkerngrabung. Kuml, 33(33), 35–96. https://doi.org/10.7146/kuml.v33i33.109700

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