Pedersstræde i Viborg. Købstadarkæologiske undersøgelser 1966/67

Authors

  • E. Levin Nielsen

DOI:

https://doi.org/10.7146/kuml.v18i18.104889

Keywords:

Pedersstræde, Viborg, Stadtentwicklung, byudvikling, wikingerzeit, vikingetid, mittelalter, middelalder, hauskonstruktion, huskonstruktion, fachwerkbau, håndværkshus

Abstract

Pedersstræde in Viborg

Archäologische Untersuchungen der Stadt Viborg

Schon seit dem 17. Jahrhundert hat man die historisch-topographische Entwicklung der Stadt Viborg zum Gegenstand von Überlegungen gemacht, teilweise wegen des gedankenweckenden Ortsnamens (zusammengesetzt aus Wi-, Ve- = heiliger Ort und sing. oder plur. von Berg = Höhenzug), teilweise auf Grund der im Hochmittelalter weithin bekannten Bedeutung der Stadt als Thing- Markt- und Kirchenstadt für den nordjütischen Landesteil. Die lokalgeschichtliche Tradition ist früh imstande gewesen, eine lange Reihe von vermuteten Kirchen- und Klosterstätten aus dieser Zeit zu bezeichnen, die neuere archäologische Beobachtungen als in groben Zügen richtig erkannt hat. Im Hinblick auf die Lage und den Umfang der frühmittelalterlichen städtischen Siedlung innerhalb des heutigen Stadtgebietes hat dagegen größere Unsicherheit geherrscht, um nicht von dem vermuteten Ausgangspunkt in einer älteren wikingerzeitliehen Siedlung zu reden [1]. Auf Grund baugeschichtlicher und archäologischer Untersuchungen hat sich innerhalb der letzten zehn Jahre die bisher vorherrschende Auffassung, der Marktplatz bei der Domkirche und das von dort nach Norden führende Straßennetz sei die alte Hauptachse der Stadt gewesen, allmählich abgeschwächt. Erst die oben behandelte Untersuchung, die von Viborg Stiftsmuseum mit Hilfe von Statens alm. Videnskabsfond in den Jahren 1966/67 ausgeführt wurde, hat entscheidendes archäologisches Beweismaterial, das die Arbeitshypothese des Museums unterstützt, hervorgebracht, und zwar I: die Siedlungsgeschichte von Viborg geht auf eine frühe wikingerzeitliehe Besiedlung zurück, die gegenüber von den nach Südosten gekehrten Abhängen des Stadthügels gelegen hat, und II: die eigentliche städtische Siedlung wuchs im frühen Mittelalter heran, und zwar nahm sie ihren Ausgangspunkt in einer Straßenbebauung an den beiden ost/westlich verlaufenden Parallelstraßen Sct. Mathiasstraße - Store Sct. Pedersstræde entlang, um die herum die romanischen Kirchen der Stadt sieh in einem ovalen Kranz im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts erhoben, vgl. Abb. 1.

I. Die wikingerzeitliche Besiedlung

Topographie und Haustypen:

Die erwähnte Untersuchung von Store Set. Pedersstræde sowie frühere Beobachtungen in dem umliegenden Stadtteil haben gezeigt, daß die jetzigen Geländeverhältnisse in dem zentralen Stadtgebiet von Viborg nur in geringem Umfang die ursprünglichen, stark hügeligen Grundverhältnisse widerspiegeln. Der jetzigen Lage der Bebauung um die Straße Store Set. Pedersstræde ist ein sehr umfassendes Ebnen des Geländes vorausgegangen. Bei der Anlage der ursprünglichen Bebauung des untersuchten Gebietes ist man dagegen auf die verhältnismäßig ebene und beschützte Fläche angewiesen gewesen, die von der Natur aus am Rande einer größeren, schalen- oder terassenförmigen Senkung des Untergrundes vorhanden war. Diese Senkung lag genau gegenüber von dem nach Südosten gekehrten Hügelabhang des Moränenmassivs. Erst eine allmähliche Auffüllung und Planierung machte nach und nach zu Beginn der historischen Zeit eine Erweiterung der Bebauung möglich. Bei der Untersuchung der älteren Siedlungsschichten konnten Reste von ungefähr zehn Häusern nachgewiesen werden, die deutlich in ein Milieu gehören, das von der wikingerzeitlichen Periode um 800 bis in das frühe Mittelalter geht (vgl. den Generalplan Abb. 2 und die Rekonstruktionsskizzen Abb. 18). Dies geht nicht nur aus dem bevorzugten, elliptischen Grundriß der Häuser und dem übrigen sparsamen Fundmaterial hervor, sondern auch aus den verschiedenen archäologischen Parallelen, die man für die einzelnen Haustypen heranziehen kann. Trotz umfassenden, jüngeren Störungen ist es möglich, mit einiger Sicherheit mindestens fünf verschiedene Hauskonstruktionen zu rekonstruieren. Nachfolgend werden sie in chronologischer Reihenfolge erwähnt:

1)      Ein vermutlich hallenähnlicher Bau (Haus IX, Abb. 6), dessen nachgewiesene Nordwand einen Konstruktionstyp vertritt, der von der sächsischen Siedlung Warendorf (8. Jahrhundert), von Lindholm Høje und den wikingerzeitlichen Burgen Aggersborg und Fyrkat her bekannt ist [4, 5]. Charakteristisch für die Wandkonstruktion sind paarweise zusammengestellte, senkrechte Ständer (Abb. 7), die scheinbar als Rahmen für mit Lehm verstrichenes Reisiggeflecht gedient haben, und die mit einer äußeren Reihe von schräg stehenden Pfosten übereinstimmen. Wenn man sich die schräg stehenden Pfosten wieder aufgeführt vorstellt, verbunden mit dem oberen Wandabschluß (Satte!) [3], läßt sich die ursprüngliche Wandhöhe auf ungefähr 1,30-1,40 m rekonstruieren.

2)      Eine Reihe von kleineren Schuppen (Haus I, Abb. 8; Haus IV, Abb. 8; Haus VII, Abb. 6; Haus VIII, Abb. 6; Haus X (?), Abb. 1), deren Wandkonstruktion an die regelrechten Doppelpfostenwände mit Reisiggeflecht erinnern kann, die scheinbar noch während der germanischen Eisenzeit allgemein vorgekommen sind [6]. Die mit Reisiggeflecht aufgebaute Wand war hier jedoch nachlässiger an die in die Erde gerammten Ständer von verschiedener Stärke befestigt, deren dachtragende Funktion man durch Aufstellen von Stützpfosten zu verstärken versucht hat. Ähnliche Wandtypen sind von mehreren gleichaltrigen Siedlungen auf der jütischen Halbinsel vom 9. und 10. Jahrhundert bekannt (Stellerburg und die älteren Besiedlungen von Aggersborg und Lindholm Høje) [8]. Während die Dachkonstruktion des Hauses 1 von zwei Mittelpfosten getragen worden ist, scheint das Haus VII mit zwei Reihen von inneren Pfosten in Verbindung mit Hilfsfirsten ausgestattet gewesen zu sein.

3)      Ein kleiner Bau (Haus III, Abb. 2,8), dessen Wand scheinbar aus lehmverstrichenem Wachholderreisig bestanden hat, der zwischen gruppenweise aufgestellten Wandpfosten befestigt worden war. Etwas südlich des Hauses konnten die Reste eines Lehmofens nachgewiesen werden, der über ein birnenförmiges Skelett von Weidenzweigen errichtet worden war; es konnte jedoch nicht entschieden werden, ob der Ofen in einer konstruktiven Verbindung mit dem Haus gestanden hat oder auf andere Art überdeckt gewesen ist. Der Bau hat wahrscheinlich ein Satteldach gehabt und lag etwas schräg über einen älteren, kleinen Schuppen von elliptischem Grundriß hin (Haus II).

4)      Ein größerer Holzbau (Haus V, Abb. 10) mit erhaltenen Stabbau-Wandresten nach Art von Palisaden. Der Grundriß des Hauses scheint beinahe elliptisch gewesen zu sein, und man darf annehmen, daß die Konstruktion folgendermaßen gewesen ist: eingetiefte, in Stabbauweise errichtete Wände in Verbindung mit einem auf zwei Mittelpfosten gestützten Firstdach. Der elliptische Grundriß entstand dadurch, daß die beiden Längsseiten in der Mitte mit einer breiten Tür- oder Pfortenpartie versehen waren, um die die Wand in einem leichten Winkel herumgeführt worden war. Die Ständer traten als 3-5 cm starke, scheinbar glatt behauene Eichenplanken hervor; die Wandkonstruktion des Baus hat möglicherweise einzelne Zwischenpfosten gehabt, jedoch weder Stütz- oder Eckpfosten von größerem Ausmaß. Was die Rekonstruktion des Baus betrifft, kann man, indem man als Ausgangspunkt die Verbindung Stabbauwand Mittelpfosten nimmt, auf eine Reihe von älteren mittelschwedischen Scheunengebäuden hinweisen, für die Sigurd Eriksson eine nahe konstruktionsmäßige Verbindung zwischen Mittelpfosten, Stabbauwand und strohgedecktem Firstdach nachgewiesen hat [12].

5)      Ein langer, verhältnismäßig schmaler Bau (Haus VI, Abb. 2), bei dem die dachtragende Konstruktion scheinbar auf in der Mitte stehenden Pfostengruppen ruhte. Während die südliche Wand nicht mehr ausgemacht werden konnte, bestand die nördliche Wand aus Einzelpfosten, die in ziemlich großem Abstand voneinander in einem Wandgraben standen, in dem Reste von Reisiggeflecht beobachtet werden konnten (Abb. 11, 12). Baugeschichtlich ist die Konstruktion ein Vorläufer der in Fächer geteilten Fachwerkwand und hat Parallelen in nordwestdeutschen Siedlungen auf Warften (Elisenhof, 9. Jahrhundert) [13]. Die Konstruktion scheint aber erst im Laufe des 11. Jahrhunderts in den nordeuropäischen Städten eine allgemeine Verbreitung erfahren zu haben (Wollin u. a.). Das Problem der Kontinuität und die Erwerbsstruktur:

Eine Frage, der entscheidende Bedeutung für die stadtgeschichtliche Perspektive zugebilligt werden muß, ist die Entscheidung, wieweit die nachgewiesenen wikingerzeitlichen Schichten eine ununterbrochene Besiedlung bis zur Gründung der mittelalterlichen Straßenbebauung vertreten. Während die stratigraphischen Verhältnisse stark für eine positive Beantwortung dieser Frage sprechen, ist das Fundmaterial - u. a. die Keramik – dagegen weder umfangreich oder verschiedenartig genug, um datierungsmäßig von großer Unterstützung zu sein, auf der anderen Seite deutet es genau wie die erwähnten Haustypen auf eine zeitmäßige Breite der Besiedlung, die von der Periode gegen Ende des 8. Jahrhunderts bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts hineinreicht, vgl. Abb. 13-19.

Von dem Gebrauch mehrerer Haustypen während eines verhältnismäßig begrenzten Zeitraumes darf man mit Wahrscheinlichkeit vermuten, daß sich darin ein verhältnismäßig differenziertes wirtschaftliches und soziales Milieu widerspiegelt. Der Hallenbau IX (Phase I) und der Stabbau V (Phase III) müssen als zeitlich weitreichende Bauten aufgefaßt werden, möglicherweise von aristokratischem Zuschnitt, wie auch die kleine Hütte III (Zwischenphase II III) mit Backofen und einiger Keramik usw. auf eine gewisse Seßhaftigkeit deutet. Dagegen darf man wohl kaum die elliptischen Flechtwerkschuppen (Phase II), die hier nachgewiesen worden sind, anders auffassen, als daß sie eine periodenweise Besiedlung vertreten; nicht nur die einfache Konstruktion der Schuppen, sondern auch die Abwesenheit von Feuerstellen und die ärmlichen Hinterlassenschaften, sieht man von Knochenabfall von verzehrten Haustieren ab, ist auffallend. Akzeptiert man als eine Möglichkeit die Anwendung der Flechtwerkschuppen als Marktstände in Verbindung mit einer periodenweisen Niederlassung von reisenden Handelsleuten und Bauern, so liegt vielleicht hierin die Erklärung, daß nur das Schmiedehandwerk in dem Material als eine spezialisierte Produktion zum Ausdruck kommt (Abb. 14-15). Ein eventuell in der Nähe abgehaltener Markt mit Tauschhandel von regional begrenztem Umfang braucht nachzuweisende Spuren archäologischer Art nicht hinterlassen zu haben.

Alles in allem widerstrebt der Nachweis von Häusern mit verschiedenen Funktionen kaum dem Bild, das wir uns heute von einer kleineren wikingerzeitlichen Stadt mit gemischter ansässiger und ambulanter Bevölkerung machen können, die sich nach altnordischer Dorf-Tradition über ein größeres Gebiet verbreitete, der abfallenden Bodenstruktur angepaßt. Die vermutete Kontinuität zwischen der vorgeschichtlichen und mittelalterlichen Besiedlung führt also nicht mit sich, daß die wikingerzeitliche Siedlung in diesem Gebiet eine stadtähnliche Struktur vorzeigt, die von umfassender menschlicher Aktivität und einer normgebenden Organisation in bezug auf Haustypen, Lage und Anwendung gekennzeichnet ist. Es muß jedoch erkannt werden, daß der geringe Umfang der Ausgrabungen es schwierig macht, sich auf archäologischem Wege ein nur einigermaßen begründetes Bild von der Gesellschaftsstruktur der wikingerzeitlichen Besiedlung zu machen; während es dagegen leicht sein sollte, auf die geschichtlichen Voraussetzungen für das Emporwachsen einer kleinen Markt-Stadt aufmerksam zu werden. Man darf nämlich auch für die vormittelalterliche Periode annehmen, daß ein Zusammenwirken von Thingplatz/Kultort/Handelsplatz bestanden hat, indem man einerseits auf den 'vi'-Namen, andererseits auf den Stand dieses Gebietes als Treffpunkt für das alte, gesamtjütische Hauptthing, das Schnapsthing hinweisen kann. Schließlich ist es kaum ein Zufall, daß das Emporwachsen von Viborg datierungsmäßig mit den Limfjords-Besiedlungen wie Lindholm Høje, Bejsebakken, dem älteren Aggersborg und vermutlich auch den Orten wie Ørbæk, Tømmerby und Vestervig zusammenzufallen scheint. Denn wenn auch Viborg nicht gerade am Limfjord liegt, zeigen die geschichtlichen Quellen vom Ende des 10. Jahrhunderts und später doch klar, daß das handels- und verkehrsmäßige Leben, das vom 8. Jahrhundert an in Verbindung mit dem Fjord beobachtet werden konnte (Abb. 31) [58], für diese Inlandstadt im Herzen von Nordjütland von entscheidender Bedeutung gewesen ist; »die Stadt Wiberg liegt zwischen Aarhus und Vændlæ«, sagt Adam von Bremen um 1070 und dachte hier an die Fahrrinne durch den Limfjord nach Vestervig.

II. Die mittelalterliche Straßenbebauung.

Die Siedlungsstruktur:

Die Untersuchung der mittelalterlichen Besiedlungsschichten ergab eine überaus klar gegliederte Siedlungsentwicklung dieses Stadtteils um die Mitte des 12. Jahrhunderts herum. An der südlichen Abgrenzung des heutigen Straßenverlaufs Store Sct. Pedersstræde und noch etwas weiter südlich wurde eine Reihe von starken Brandschichten beobachtet (Abb. 21,22), die deutlich von einer Reihe von niedergebrannten lehmverstrichenen Häusern stammten, die im Mittelalter und in neuerer Zeit mit der Vorderfront zur Straße hin gelegen haben. Die Brandschichten ließen durch ihre Stärke auf ziemlich eindeutige Weise die Lage der einzelnen Hausreste in den drei mittelalterlichen Hauptbrandzonen I, II und III hervortreten, woraus hervorging, daß in der Zone II und III die Häuser zur Straße hin (die Vorderhäuser) an der gleichen Stelle wieder erbaut worden sind wie ihre Vorgänger der Zone I. Auch eine offene Passage zwischen den einzelnen Häusern wurde beibehalten. Der Umstand, daß ein Haus an dem gleichen Ort wie sein Vorgänger wieder aufgebaut wurde, deutet darauf hin, daß schon seit der Zone I eine Einteilung in genau abgegrenzte Grundstücke vorlag - eine Vermutung, die dadurch unterstützt wurde, daß die moderne Grundstückgrenze zwischen den Parzellen Nr. 415, 416 a, 416 b und 417 den erwähnten Passagen zwischen den mittelalterlichen Häusern entspricht, vgl. Abb. 27.

Zu dem Vorhandensein von parzellierten Grundstücken in Pedersstræde kommt teils die Beobachtung einer grauen Füllschicht eben unterhalb der Vorderhäuser (Abb. 20), die scheinbar von einem bewußten Ebnen des Geländes herrührt, teils der Nachweis (im Sommer 1968) von Stein- und Holzpflasterungen unter der jetzigen Fahrbahn, die mit den mittelalterlichen Häusern übereinstimmen. Diese drei Umstände lassen zusammen genommen die Errichtung eines geschlossenen Straßenmilieus um die Mitte des 12. Jahrhunderts als Ausdruck eines durchgreifenden, organisierten Urbanisierungsprozesses der bisher in diesem Gebiet bestehenden Siedlungsstruktur hervortreten. Die kulturgeschichtliche Reichweite dieses Prozesses wird außerdem noch unterstrichen durch die deutlich vorhandene konstruktionsmäßige Erneuerung des Hausbaus im Verhältnis zu den wikingerzeitlichen Häusern. Bei Beobachtungen der drei mittelalterlichen Brandschichten erhalten wir nämlich die Möglichkeit, die Hauptzüge in der Entwicklung des Fachwerkbaus durch drei Phasen hindurch zu verfolgen bis zu dem Konstruktionstyp, der in dänischen Stadt- und Dorfanlagen bis in neuere Zeit hinein allgemein war, vgl. Abb. 25. Die Entwicklung des Fachwerkbaus:

Schon bei der ersten Brandschicht von mittelalterlichen Vorderhäusern handelt es sich um Bauten mit kräftigen, lehmverstrichenen Reisiggeflechtwänden, die zweifellos eine so starke Verbindung zwischen den Wandflächen und dem Zimmerwerk voraussetzten, daß man sich die Häuser in echter Fachwerkkonstruktion errichtet vorstellen muß. In dieser ersten Phase (Brandzone I, gegen Ende des 12. Jahrhunderts) waren die Wandpfosten entweder noch eingetieft oder von Steinen gestützt, aber in beiden Fällen gingen die Pfosten in die Wandkonstruktion ein, wodurch eine mehr oder weniger regelmäßige Fachteilung erziehlt wurde. In dem einen Haus (416 b) scheint das lehmverstrichene Reisiggeflecht an Staken befestigt gewesen zu sein, die in die Erde gesteckt worden waren, während die Wandfüllung des anderen Hauses (416 a) scheinbar auf einer Schwelle geruht hat - eine wichtige Einzelheit verglichen mit der älteren Besiedlung in diesem Gebiet. Es konnte beobachtet werden, daß der Lehm nach dem Verstreichen mit einer dünnen Lehmmasse überputzt wurde, um danach mit gewöhnlichem Kalk geweißt zu werden. Vom Inneren der Häuser (ca. 5 X 8 m2) gab die Untersuchung nur ein ungenaues Bild, aber die Dachkonstruktion des einen Hauses (416 b) wurde wahrscheinlich von einer in der Mitte stehenden Pfostenreihe gestützt, vielleicht sogar von einer regelrechten Mittelwand.

Denkbar ist, daß die große Anwendung von Lehmverstrich im Mittelalter an sich eine konstruktionsmäßige Trennung zwischen dem Erdboden und der Wand gefördert hat, weil dieses Material die Feuchtigkeit so stark anzieht. Auf jeden Fall setzt man in der zweiten Phase der Bauentwicklung (Brandzone II, die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts) das Bestreben fort, die Hauskonstruktion von dem Erdboden zu heben; die Vorderhäuser wurden nun auf einem Steinfundament errichtet und wahrscheinlich mit einer durchlaufenden Schwelle versehen, in die die Wandpfosten eingezapft worden sind. Obwohl diese Einzelheit archäologisch nicht bewiesen werden konnte, muß das Aufgeben der natürlichen Verankerung der Wandpfosten in der Erde nämlich zu einem bewußten Bestreben geführt haben, eine stärkere Verbindung zwischen den Wandpfosten und den Teilen des Zimmerwerks zu schaffen, die den oberen und unteren Abschluß der Wand bilden – Sattel und Schwelle. Die wesentlichen Bestandteile der Fachwerkkonstruktion sind auf jeden Fall von der zweiten Bauphase an deutlich festgelegt.

Ein durch die Mitte des Hauses 416 a (Abb. 22 b, 23) verlaufender Schnitt zeigt, daß der Bau zur Hofseite hin mit einer niedrigen Kübbung versehen worden war. Nach der Wiederaufführung der gestürzten Außen- wie Innenwand der Kübbung (Höhe ca. 1,25 und 2 m), war die Möglichkeit gegeben, den Querschnitt des Hauses zu berechnen (Breite des Hauses ca. 6 m, davon das Seitenschiff zur Hofseite hin ca. 1,14 m; Dachhöhe (bis zum First) ungefähr 5 m mit einer inneren Dachneigung von ca. 90°, wenn man mit einer verhältnismäßig starken Abflachung des Daches über der Kübbung hin rechnet, vgl. Abb. 30 b. Sowohl für die Außenwand wie auch für die innere Pfostenwand der Kübbung gilt, daß die senkrechten Staken, an die das Reisiggeflecht befestigt wurde, die ganze Wandhöhe ausfüllten, d. h. von der Schwelle bis zum Sattel verliefen. Anstatt einer regelmäßigen Aufteilung der Wandfläche durch eine waagerechte Bohle wurde die Flechtwerkwand durch eine an der Innenseite befestigte, waagerechte Planke gestärkt, die scheinbar völlig in der dicken Lehmschicht eingekapselt war. Die Erdwände waren wie in der Phase II mit einer dünnen Lehmmasse überputzt und dann weiß gekalkt, sodaß man sich wahrscheinlich die Bauten als ganz weiß gekalkte Fachwerkbauten mit etwas hervorstehendem Holzwerk vorstellen kann. Obwohl die Fundbeobachtungen zeigten, daß gediegene Zimmermannsarbeit geleistet wurde, die sowohl das Falzen wie das Verzapfen kannte, vertreten die Vorderhäuser der Zone II klar eine armseligere Form des Fachwerkbaus, als es später der Fall sein wird.

In der dritten Phase der Bauentwicklung (Brandzone III, 15. Jahrhundet1) stoßen wir auf die Entwicklung des eigentlichen Fachwerks, die vermutlich auf ein bewußtes ästhetisches Arbeiten mit dem Zimmerwerk zurückgeführt werden kann. Die Häuser dieser Phase sind eng mit den dreischiffigen Hallenhäusern der älteren Baustufe verwandt, es konnte jedoch festgestellt werden, daß die Wände (Abb. 22 b) von drei waagerechten Bohlen zusammengehalten wurden: Schwelle, Riegel/Holm und Sattel, sodaß die Wand durch die Anwendung von Füllholz in ein oberes und ein unteres Fachsystem aufgeteilt wurde, wie es allgemein für spätere dänische Fachwerkbauten der Fall ist. Die Fächer bestanden aus lehmverstrichenem Reisiggeflecht in Verbindung mit senkrechten Staken. Der Übergang zur Riegel/Holm-Aufteilung der Wandfläche könnte, nach Funden von Fensterglas und Bleisprossen zu urteilen, durch die Einführung von Fenstern beschleunigt worden sein.

Die Erwerbsstruktur:

Das reiche Vorkommen von Zimber und Schlacke in den drei mittelalterlichen Siedlungsschichten zeigte, daß eine mehr oder weniger intensive Schmiedeaktivität in dem Gebiet durch die ganze Periode hindurch vor sich gegangen ist. In den beiden älteren Schichten konnte beobachtet werden, daß die Schmiede in den Vorderhäusern gelegen hat, während sie von der dritten Brandschicht an auf den Hof verlegt worden ist. Die Erwerbsstruktur der Vorderhäuser ist aber wahrscheinlich von Anfang an viel komplizierter gewesen, als es das Fundmaterial angibt. Die beiden ältesten mittelalterlichen Schichten ergaben z. B. eine größere Anzahl Kalkgruben (Meiler), die durchweg einen halben bis einen Meter in den Untergrund hineingegraben worden waren, die aber sonst einen unterschiedlichen Durchmesser von 1 m - 4-5 m hatten.

Kalkmeiler in mittelalterlichen Siedlungsschichten sind u. a. bei deutschen Stadtausgrabungen nachgewiesen worden [36]. Was die Besiedlung von Pedersstræde betrifft, muß das Auftauchen der Meiler sicher mit der umfangreichen Kirchen- und Klosterbautätigkeit in Verbindung gesetzt werden, die während des 12. und 13. Jahrhunderts im Stadtgebiet stattfand (Abb. 1) [38]. Die geschichtlichen Quellen aus dem 12. Jahrhundert machen zweifellos einen nahen inneren Zusammenhang zwischen Besiedlung, Kirchenbau, Rechtsbeschlüsse im Thing und Marktleben in der Stadt wahrscheinlich (Aelnoth, Kjeldsvita, Svend Aggesen und Saxo). Der Verfasser sieht in dieser geschichtlichen Situation ein Zeichen teils für den Hintergrund und Charakter der ältesten Straßenanlage, teils für den ursprünglichen sozialen Stand der Bewohner von Pedersstræde. Viel spricht dafür, daß die Schmiede und Handwerker, die sich während der ersten Siedlungsperiode scheinbar hier aufgehalten haben, und die bei der Aufführung der Kirchen mitgewirkt haben, als Mitglieder einer großen familia aufgefaßt werden sollen, d. h. Personen, die in persönlichem Verhältnis zu einem aristokratischen Grundherrn standen, und die wahrscheinlich nicht nur dessen Interessen am Ort ganz allgemein wahrnahmen, sondern die sicher auch Handel und Handwerk auf dessen Rechnung trieben. Dies kann als eine Übergangsform vom wikingerzeitlichen Tauschhandel zum spätmittelalterlichen, selbständigen Kaufhandel angesehen werden [39,40].

Die Arbeit des Schmiedes tritt natürlicherweise als die älteste Form einer spezialisierten Produktion hervor, die verhältnismäßig schnell einen guten Boden für ständigen Warenaustausch geschaffen hat. Wendet man sich den jüngeren Siedlungsschichten zu, scheint das armselige Fundmaterial sich jedoch dahin zu berichtigen, daß die Existenz Viborgs trotz einer Wohlstandsperiode im 13. Jahrhundert fortgesetzt weniger auf einen gleichmäßig pulsierenden Handel ruhte als auf religiösen, verwaltungsmäßigen und politischen Kräften, die zeitweilig Adel, Geistlichkeit und andere Leute von ganz Nordjütland in der Stadt versammelten. Selbst wenn man die hochmittelalterliche Tonware mit einbezieht, die einen lokal begrenzten Umsatz Stadt/Land verrät, kann eine blühende Entwicklung des Nahhandels nicht beobachtet werden. Berufsmäßige Kaufleute haben vermutlich nur in begrenztem Umfang ihren festen Wohnsitz in der Stadt gehabt. Der Grund für diese Tatsache liegt zweifellos in der geographischen Gegebenheit, indem das nähere Hinterland von Viborg zum großen Teil so dünn besiedelt war, daß das Gebiet nur in geringem Maße einen größeren handelsmäßigen Umsatz tragen konnte. Der seit dem Spätmittelalter betriebene, bedeutende Eigenhandel, den die reichen Kaufleute, die Geistlichkeit und die Domkirche vertrat, kam scheinbar nur indirekt und periodenweise dem Erwerbsleben der Stadt zu gute.

Die historischen Voraussetzungen der Straßenbebauung:

Wie so viele isolierte archäologische Untersuchungen wirft die Ausgrabung von Pedersstræde mehr Fragen auf, als sie an sich imstande ist zu lösen. Die am weitesten reichende Frage, die die siedlungsgeschichtlichen Beobachtungen von Pedersstræde aufwirft, ist zweifellos, welche geschichtlichen Voraussetzungen die älteste konzentrierte, stadtmäßige Besiedlung seinerzeit gehabt hat. Als eine bestimmende Anregung zu dieser neuen Siedlungsform verglichen mit dem offenen »kaupang« der Wikingerzeit hebt man gewöhnlich die neuen merkantilen und umsatzbestimmten Tendenzen hervor, die sich im ganzen Norden im Laufe des 12. Jahrhunderts gefestigt zu haben scheinen. Sie sind gekennzeichnet von der Festsetzung der Stadt als eine von der königlichen Macht priviligierten, rechtsmäßigen und ökonomischen Enklave. Die datierungsmäßigen Verhältnisse in Pedersstræde schließen keineswegs aus, daß die königliche Macht eine entscheidende Rolle bei der Zurechtlegung der ältesten Straßenbebauung hier gespielt hat; auf jeden Fall ist Grund vorhanden, Viborg als eine sogenannte burgabhängige Stadt zu bezeichnen, und dem König eine gewisse handelspolitische Initiative zu unterstellen, teils weil die Stadt Krongut ist, teils weil Saxo mitteilt, daß Svend Grathe »den Städtern das Versprechen vom Erlaß aller königlichen Steuern gab« in Verbindung mit seiner Befestigung von Viborg um 1160 (der Wall Borgvold) [41].

Schließlich muß hervorgehoben werden, daß der in dieser Untersuchung bewiesene Nachweis von einer Verbindung zwischen der neuen Stadt-Straßenbebauung und dem Auftauchen des Fachwerkbaus in diesem Gebiet auf längere Sicht vielleicht eine archäologische Möglichkeit eröffnet, sich der folgenden Problematik näher zu erschließen: wie stark waren die deutsch-sächsischen Kultureinflüsse während der Gestaltung der Stadt in der frühen Valdemarzeit? Mit einem Hinweis auf Josef Schepers Auffassung vom sächsisch-westphälischen Gebiet als dem eigentlichen Kerngebiet des sächsisch-friesich­südskandinavischen Fachwerkbaus [52] (Abb. 30), fühlt der Verfasser sich versucht, das Auftauchen des Fachwerkbaus in Viborg mit dem Emporwachsen einer städtischen Siedlung im eigentlichen Sinne in Dänemark in Verbindung zu setzen. Die allgemeine Verbreitung dieser Konstruktion innerhalb des südskandinavischen Gebietes muß im Zuge eines Urbanisierungsprozesses gesehen werden, der wahrscheinlich im wesentlichen von Impulsen aus dem Süden inspiriert worden ist [47, 56, 57], und der in gleichem Maße Voraussetzung für die Anlage von Stadt wie Dorf war.

E. Levin Nielsen

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Published

1968-03-26

How to Cite

Nielsen, E. L. (1968). Pedersstræde i Viborg. Købstadarkæologiske undersøgelser 1966/67. Kuml, 18(18), 23–82. https://doi.org/10.7146/kuml.v18i18.104889

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