Nationaløkonomisk Tidsskrift, Bind 3. række, 46 (1938)

ENTSTEHUNG UND ABBAU DER ÖSTERREICHISCHEN DEVISENBEWIRTSCHAFTUNG. 1)

Professor OSKAR MORGENSTERN, Wien

EINE Darstellung der Grundzüge der österreichischen Währungspolitikseit
1931 dürfte vielleicht deswegen auf
einiges Interesse in Österreich und im Auslande stossen, weil inmittender
Vorgänge auf dem Gebiete der internationalenWährungen
in einem verhältnismässig beschränktenZeitraum
ganzen Prozess begonnen und im Grossen und
Ganzen abgeschlossen hat, der bei all den vielen anderen Staaten,die
auf den gleichen Weg begeben haben, noch keineswegsbis
Abschluss geführt worden ist. Ich meine damit die
Tatsache, dass Österreich unter dem Druck der durch den Zusammenbruchder
hervorgerufenen Krise, die rasch
zu einer erheblichen Kreditausweitung führte — was wiederum
die spätere Entwertung des österreichischen Schillings mitverursachte—
Verhütung dieser Entwertung Massnahmen der
Währungskontrolle eingeführt und nach Erkenntniss ihrer Untauglichkeitschrittweise
aufgehoben hat. Gerade wegen
der verhältinismässigen Vollständigkeit dieses Prozesses liegen
interessante Erscheinungen vor, die des genauen Studiums würdig
sind. Allein es würde weit über den Rahmen der hier beabsichtigtenAusführungen
würde man versuchen, eine auch
nur annähernd vollständige Darstellung der Ereignisse zu geben,
zumal diese durch Material weitestgehend belegt sein müsste.
Eine Untersuchung dieser Art — die auch die Vorgänge und
Massnahmen in anderen Ländern berücksichtigt und ausserdem
den währungstheoritischen Sinn der Devisenbewirtschaftung voll



1) Vortrag, gehalten am 16. Februar 1937 in der Nationaløkonomisk Forening in Kopenhagen. — Die folgenden Darlegungen stützen sich z. T. auf Ausführungen, die am 20. und 21. Juli 1937 in The Times veröffentlicht wurden.

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zur Darstellung bringen soll — wird von Professor Howard S. Ellis in dem vom österreichischen Institut für Konjunkturforschungherausgegebenen zur Konjunkturforschung« noch im Laufe des Jahres 1938 als gesonderter Band erscheinen. Es soll daher in den nachfolgenden Ausführungen den weitgehend dokumentierten Untersuchungen, die im Interesse der Währungspolitikbei schwerer krisenhafter Erschütterungen unbedingt angestellt werden müssen, nicht vorgegriffen werden. Ich beschränke mich daher im wesentlichen im nachfolgenden darauf, zunächst einmal aus einer kurzen Aufzählung des chronologischenVerlaufes wichtigsten Ereignisse und Massnahmen die Einheit des Prozesses hervortreten zu lassen und sodann die Rolle aufzuzeigen, die die wissenschaftliche Analyse und Stellungnahmewährend Ablaufes, namentlich hinsichtlich der Beeinflussung der öffentlichen Meinung gespielt hat. Auf diesen letzteren Umstand sei ganz besonders Gewicht gelegt, da sich aus der Tatsache, dass die öffentliche Meinung eine so gewichtige Rolle zu spielen vermag, weittragende Schlussfolgerungen für die Wirtschafspolitik auf anderen als nur monetären Gebieten ableitenlassen. ist deswegen besonders bedeutsam, weil die öffentliche Meinung nur teilweise ursprünglich war; in einem sehr hohen Grad unterlag sie einer sehr bewussten und wohl überlegten Beeinflussung.

Als am 8. Mai 1931 die Bilanz der Credit-Anstalt für das Jahr 1930 veröffentlicht wurde, entstand ein Run auf die Bank, weil der Verlust des gesamten Aktienkapitals ausgewiesen wurde. Die Regierung sah sich veranlasst, am 14. Mai das sogenannte 1. Credit- Anstalts-Gesetz zu erlassen, das eine kapitalmässige Reaktivierung der Bank durch Staatshilfe gewährleisten sollte. Am 27. Mai wurde auch die Garantie für alle Einlagen gesetzmässig ausgesprochen; dem Run jedoch konnte damit keineswegs Einhalt geboten werden.DieNationalbank den Diskontsatz von 5% auf lxk %, ferner wurde im Juni ein ausländischer Kredit von 250 Millionen Schilling durch Vermittlung der Bank für internationalen Zahlungsausgleichundder von England der Notenbank zur Verfügung gestellt. Im Juli wurden drei weitere Credit-Anstalts- Gesetze erlassen. Die Lage gestaltete sich jedoch immer unbefriedigender,sodass die österreichische Regierung am 7. August an den Völkerbund um Beistand wenden musste. Im Septemberstelltesich heraus, dass die in grossem Stil seit Mai vor sich gehende Umwandlung von Einlagen bei der Credit-

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Anstalt und anderen Banken in ausländische Zahlungsmittel von der Notenbank nicht mehr glatt bewerkstelligt werden konnte. Der praktische Vorgang dieser Umwandlung war nämlich der, dass sich die Banken, vor allem aber die Credit-Anstalt, die Mittel zur Auszahlung der abgehobenen Guthaben und zur Rückzahlung der eingeforderten Auslandsschulden durch Diskontierung von Wechselnausihrem bei der Nationalbank verschafften. Die auf diese Weise von der Notenbank in Umlauf gebrachten Noten kehrten dann raschestens wieder an sie zurück, indem die Noteninhaber mit ihnen der Nationalbank ihre Devisen abnahmen. Die Folge war, dass einerseits die Zunahme an de facto wertlosen Wechseln der Credit-Anstalt das Portefeuille der Nationalbank mächtig anschwellen liess, während ihr Devisenbestand um fast die gleichen Beträge zusammenschmolz. Der Notenumlauf blieb aus den eben angeführten Gründen per Saldo so gut wie unverändert.Alsdann September bereits dem breiten Publikum klar wurde, dass die freie Austauschbarkeit von Schilling gegen ausländischeZahlungsmittelin Weise nicht unbeschränkt weitergehen könne, entwickelte sich zum erstenmale ein Aufgeld für Devisen, ein sogenannter »Schleichhandelsmarkt«, der eigentlichzumAusdruck dass die Nationalbank ihrer statutenmässigenAufgabeder des Wechselkurses des Schillings gegenüber dem Gold nicht mehr gewachsen war. Da es nun, wie in allen anderen Staaten, wo die Fiktion der Aufrechterhaltungeinesoffiziellen gewahrt werden sollte, als unzulässigerschien,Prämienzahlungen Devisen auf einem privatenMarktzuzulassen, am 9. Oktober die erste Devisenverordnungerlassen.Eine Devalvation wollten die RegierungendieserLänder nicht zulassen, oder nicht eingestehen, weil es sich um Staaten mit einer inflationserfahrenen Bevölkerunghandelte.Man von der Annahme aus, dass ein AnsteigenderDevisenkurse der heimischen Währung eine weitgreifende Panik zur Folge haben müsste. Durch eine solche Panik würde eine derartige Störung der Wirtschaft verursacht, dass alles getan werden müsse, um ihren Ausbruch zu vermeiden. Es ist wichtig zum Verständnis der historischen Vorgänge — und vielleicht auch für kommende Gelegenheiten — darauf hinzuweisen,dassin wie Österreich von den weitesten Kreisen der Bevölkerung bis heute nicht begriffen wird, dass eine Abwertung der Währung nichts mit Inflation — die sie wie den Teufel fürchten — zu tun haben muss. Paradoxer Weise hatten sich die

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damaligen Regierungen die eigene Lage dadurch ausserordentlich erschwert, dass sie, anstatt die Bevölkerung über den Irrtum aufzuklären,selbstdieser Begriffsverwechslung huldigten.DieRegierung unter Zustimmung des Publikums immer wieder erklärt, gegen eine Inflation zu sein, und konnte eine Abwertungpuret nicht vollziehen, weil das eben angeblich Ausdruck der von ihr abgelehnten Inflation gewesen wäre. Dieser Tatbestand wurde für die späteren Schritte von grosser Bedeutung,denner die Nationalbank zu jener indirekten Methode und homöopatischen Dosierung des Abbaues der Beschränkungen, die sich als so erfolgreich erweisen sollte. Die Devisenverordnung besagte im wesentlichen dasselbe, was die bekannten und ähnlich verfassten Verordnungen der zahlreichen Staaten, die sich auf dieses gesetzgeberische Gebiet begeben haben, enthalten. Das Publikum wurde einerseits verpflichtet, seine Devisenbestände anzumelden und auf Verlangen der Nationalbank zum offiziellen Kurs abzuliefern, was auch für alle laufenden Deviseneingänge galt, während andererseits die Notenbank als die einzige Stelle Devisen — ebenfalls zum offiziellen Kurs — abgab. Infolge des schon auf den »schwarzen Märkten« sichtbar gewordenen Disagio von etwa 1012 % entstand durch den Ablieferungszwang für die Exporteure ein gewisser Verlust, der sich in einer VerschlechterungderExportsituation deswegen bemerkbar machte, weil in der gleichen Zeit die englische Währungsentwertung und mit ihr im Gefolge viele andere vorgenommen wurden, was einer Herabsetzung der Exportpreise aller dieser Staaten gleichkam. Die Folge war eine scharfe Kontraktion der Ausfuhr.

Der ersten Devisenverordnung folgte bald eine Reihe von Ergänzungenam Oktober, 6. November, 23. Dezember, die genau wie auch die Zahl der insgesamt erlassenen Credit-Anstalts-Gesetzeauf stieg. Selbst in solchen Äusserlichkeiten offenbart sich der enge Zusammenhang zwischen der Credit-Anstalts-Affäre und der Währungskrise deutlich genug. Als Anfang November 1931 die Idee auftauchte, es sollten auch die im Besitze von Inländernbefindlichen Effekten angemeldet und etwa, genau wie die Devisen, auf Wunsch der Notenbank verkauft und die so erzielten Deviseneingänge an die Nationalbank zum offiziellen Kurs abgeliefert werden — wie es zum Beispiel im Jahre 1935 in Italien tatsächlich durchgeführt wurde — erhob sich in der Presse ein so scharfer Wiederstand, dass dieser Gedankesofort Fall Gebracht und auch später trotz aller noch

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folgenden Verschärfungen der Devisen Verordnung, nicht mehr
aufgegriffen wurde.

Ökonomisch gesehen, bedeutet die zwangsweise Ablieferung und Zuteilung von Devisen die Festsetzung eines Höchstpreises mit allen nachteiligen Wirkungen, die bisher immer bei Höchstpreisen zu beobachten waren. Diese liegen bekanntlich darin, dass die Nachfrage zu diesem in aller Regel unter dem freien Marktpreise liegenden Höchstpreise grösser ist als dem Angebot zum Höchstpreise So ergab sich zwangsläufig, dass zum Zwecke der Eindämmung der Nachfrage von der Nationalbank andere Kriterien als bloss die Zahlungswilligkeit des Nachfragenden für die Zuteilung von Devisen herangezogen werden mussten. Diese Kriterien führten bald zu den Versuchen einer Unterscheidung von »lebenswichtigen« und »lebensunwichtigen« Importen, für die Devisen nachgefragt wurden. Die ständig schwankende Abgrenzung begreiflicherweise vollständig willkürlich. Sie führte allerdings dazu, dass in den sogenannten Devisenbeiräten, in denen Wirtschaftskreise und öffentliche Ämter mitwirkten, unter Benützung von allerhand Argumenten heftig um die Quoten der Zuteilungen gestritten wurde, die dem ganzen System den Anschein Rationalität gaben und geben sollten, während es sich in Wirklichkeit um vollständige Willkür handelte. Man kann im Bereiche der Wirtschaftpolitik häufig die Beobachtung machen, dass Zahlen verwendet werden, um Argumente zu stützen. Diese werden dadurch allerdings keineswegs genauer unterbaut, sondern diese Verwendung von Ziffern hat mit dem Kern der Sache meist überhaupt nichts zu tun; es ist etwa so, wie wenn mit einem Metermass Fiebergrade gemessen werden sollten. Die Devisenbewirtschaftung hierfür immer ein glänzendes Beispiel geliefert.

Im Laufe des Jänner 1932 stellten sich bereits einige Tatsachen heraus, die im Grunde niemanden wundern konnten: Erstens, dass die Zuteilungen von Devisen nicht aus den laufenden Deviseneingängengedeckt konnten, sondern dass der Devisenbestandselbst weiter hatte angegriffen werden müssen und zweitens, dass nach einer Schätzung von Ende Jänner 1932 nur etwa IV2 % der gesamten Nachfrage nach Devisen,, bezw 3 % der Nachfrage nach Devisen für Rohstoffimporte gedeckt werden konnten. Die ökonomische Wirkung des Systems zeigte sich auch in voller Klarheit im Aussenhandel. Der unter dem Marktpreis liegende Preis für Devisen bedeutete für jene, die sie erhalten

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konnten, die Gewährung einer Importprämie, während andererseitsder für die Exporteure, Devisen unter dem innerenWerte sich wie eine Exportsteuer auswirkenmusste: das Gegenteil dessen, was anzustreben gebotenwar, was auch das oft erklärte Ziel der Regierung darstellte.Da eingeführten Waren aber nicht bezahlt werden konnten, entstand gegenüber dem Ausland eine neue, zusätzliche Verschuldung, die auf 100 Millionen Schilling für Ende Dezember1931 wurde. Eine neue Auslandsverschuldung in dem Zeitpunkte, da man gleichzeitig bemüht war, die auswärtige Schuldenlast abzubauen.

Diese für die Anhänger der Devisenbewirtschaftung äusserst paradoxen, für die Nationalökonomen aber selbstverständlichen Erscheinungen wurden in den Monatsberichten des Österreichischen für Konjunkturforschung zeitgerecht und ausführlich In den gleichen Berichten wurde auch in den Monaten gegen Ende des Jahres 1931 auf die dringende Notwendigkeit die Kreditinflation, hervorgerufen durch Diskontierung Wechsel der Credit-Anstalt, zu sofortigem Ende zu bringen. Allein diese Forderung fand kein Gehör. Selbst der damalige Finanzminister billigte, wie so viele andere, die fortgesetzte Kreditneuschaffung, die der Währung und der Wirtschaft schweren Schaden zufügte. Es bestand nun die Alternative, wie bisher fortzufahren und eine grosse Maschinerie, noch — last not least — durch eine lange Reihe von Einfuhrverboten und belastet worden war, weiter zu erhalten auszubauen und unter dem Schein äusserster Rationalität »System« aufrechtzuerhalten, oder eine wirkliche Sanierung Geldwesens vorzunehmen, die an altbewährten Grundsätzen Geldwirtschaft und der Geldtheorie orientiert wäre. Österreich wählte den zweiten Weg, wenn auch zögernd und zunächst etwas behutsamer Weise. Die Wende, die Österreich hiermit steht in der Geschichte des modernen Geldwesens einzigartig da. Österreich hat sich weder von den Gaukeleien sogenannter noch von dem starken Druck der durch die Misstände begünstigten Sonderinteressen abhalten lassen, der wirtschaftlichen Vernunft zum Wohle des gesamten Landes Gehör zu verschaffen. Das ist in den heutigen Zeiten ein seltenes, für viele sogar ein unbegreiflich seltsames Ereignis.

Am 6. Februar 1932 wurde eine neue Leitung der Nationalbank
bestellt, indem der frühere Finanzminister Dr. Viktor Kienböck,

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der bereits 1922 die damalige Nachkriegsinflation abgestoppt, die Ausgleichung des Staatshaushaltes und die Stabilisierung der Krone durchgeführt hatte, zum Präsidenten ernannt wurde. Eine seiner ersten Massnahmen bestand darin, dass er sich weigerte, noch weiterhin Wechsel der Credit-Anstalt, die, wie schon gesagt, bisher mehr oder minder freizügig diskontiert worden waren, aufzunehmen.Die wurde auf diese Weise vor den absoluten Zwang gestellt, eine den normalen Regeln entsprechende Bankpolitik zu betreiben und für ihre Liquidität durch Rückberufungder ihr an österreichische Industrien und andere gewährten Kredite, sowie durch Abstossung von Beteiligungen vorzusorgen. Von diesem Tage an datiert daher der Deflationsdruck,der die spätere Aufrechterhaltung der Stabilität der Währung eine sehr grosse Rolle spielen sollte. Man kann auch sagen, dass von diesem Zeitpunkte angefangen das Ziel gesetzt wurde, die Struktur des österreichischen Bankwesens allmählich eine Wandlung erfahren zu lassen, indem sich die Aktienbanken, wenn auch unter vielfachen Erschüterungen und weiteren Fusionen,dem Typus von Depositenbanken annähern und ihre gleichzeitige Rolle als Investmentbanken mehr und mehr aufgebensollten.

Vom Februar 1932 datiert nun der erste Ansatz des sogenannten »Privatclearing«; das heisst, es wurde seitens der Nationalbank allmählich gestattet, dass ganz bestimmte Exporteure ganz bestimmtenImporteuren einen Teil ihrer durch Export erhaltenen Devisen zu höheren Preisen als den offiziellen verkaufendurften. war beiden Teilen gedient; der Importeur bekam seine Devisen die er brauchte, um den österreichischen Markt zu versorgen, der Exporteur verbesserte seine Lage etwas, weil er nun einen kleineren Verlust als durch die zwangsweise Ablieferung zu einem unechten Kurs erlitt. Dieses Privatclearing ist eine wirklich echt österreichische Einrichtung und das Hauptmerkmaldes der Devisenbewirtschaftung geworden. Man sah, dass der herrschende Zustand ganz ungesund sei, nicht andauern könne, ohne dem Lande fortdauernd schweren Schaden zuzufügen, und begann ihn zu beseitigen; aber nicht etwa durch Aufhebung der bestehenden Vorschriften, sondern durch ihre schrittweise Nichtanwendung. Daher ist der Gebrauch des Wortes »privat« in diesem Zusammenhange in höchstem Grade — aber vielleicht unfreiwillig — charakteristisch. Präsident Keinböck stand vor allem auch unter dem Eindruck der Szenen, die sich

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in den einzelnen Devisenbeiräten bei der Festsetzung der Zuteilungsquotenabspielten. erkannte, dass diesen »Orgien«, wie er sich später einmal ausdrückte, nur ein Ende gesetzt werden könne, entweder durch ein riesiges Reglementierungsverfahren, wie es heute in vielen Ländern betrieben wird, oder durch die Wiederherstellung des Marktmechanismus. Im Gegensatz zu anderenStaaten, zum Wohle der Wirtschaft und Währung wurde der zweite Weg eingeschlagen.

Wiederum war der ganze Vorgang vielfach mit dem Anscheine einer ganz besonderen Rationalität umgeben, indem es zum Beispiel zulässig angesehen wurde, dass die Holzexporteure ihre Devisen zwar an Petrol^umimporteure abgeben durften, nicht aber etwa an die Importeure von Chemikalien usw.; oder dass sie 15 % oder 20 % oder irgendeinen anderen Prozentsatz ihres Deviseneinganges diese Weise abstossen durften oder dass das Aufgeld in dem einen Fall 10 %, im anderen 12 %, in wieder einem anderen 15 % usw. betragen durfte. Alles Dinge, die zur Zeit als sie vorfielen irgendwie als begründet und vernünftig betrachtet wurden, obwohl es zweifelsohne kein wie immer geartetes stichhältiges Argument gibt oder gegeben hat, das gerade für die Auswahl dieses und nicht eines anderen Kontrahenten, bezw. Prozentsatzes gesprochen hätte. Es fällt ökonomisch nicht wirklich geschulten Kreisen immer schwer, durch einen Schleier von Ziffern, die nichts bedeuten aber sehr wichtig aussehen, von »wirtschaftlichen« Argumenten, die nur Interessenansprüche darstellen, Schwierigkeiten, die nur Folgeerscheinungen anderer künstlichen Bestimmungen sind, auf die wirklichen ökonomischen Beziehungen hindurchzuschauen. Daher kann ja in so vielen Ländern Devisenbewirtschaftung aufrechterhalten werden, denn es scheint so, als ob es nicht anders zu machen wäre. Wenn man mit Ziffern, Prozentsätzen und dergleichen Argumenten unterbaut, so ist das sehr begrüssenswert, ausser wenn die Sache als solche eine derartige »Beweisführung« nicht zulässt, weil sie bereits in einem früheren Stadium der Argumentation als falsch oder schädlich werden kann. Daher möge man sich von der angeblichen mancher wirtschaftspolitischer Massnahmen nicht zu oft täuschen lassen.

Alle weiteren Vorgänge bestanden nun darin, dass ziemlich langsam Schritt für Schritt, stets begleitet, ja eigentlich hervorgerufenvon starken Druck der Öffentlichkeit, über dessen Charakter noch mehr zu sagen sein wird, die Basis dieser Erleichterungverbreitert

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leichterungverbreitertwurde. Allmählich wurden mehr und mehr Kreise in das Privatclearing einbezogen und schliesslich am 17. Juli 1932 ein eigener, wenn auch noch beschränkter Markt für diese Käufe und Verkäufe beim Wiener Giro- und Cassen-Verein, also bezeichnender Weise ausserhalb der für diese Zwecke allzu offiziellen Börse und ausserhalb der Nationalbank, geschaffen. Im Oktober wurde die zwangsweise Abgabe von Devisen an die Nationalbank, die den Namen »Rohstoffquote« führte und die von allen Deviseneingängen zu leisten war, auch wenn sie im Privatclearingverwertet durften, auf 12 % herabgesetzt. Diese Bezeichnung sollte andeuten, dass durch dieses Opfer der Exporteuredie der Industrie mit Rohstoffen sichergestelltwerden Gleichzeitig schränkte die Nationalbank die Zuteilung von Devisen zum offiziellen Kurs desto mehr ein, je mehr sich das Privatclearing ausdehnte. Als dann die Oppositiongegen Rohstoffquote immer mehr wuchs, wurde sie AnfangDezember ganz beseitigt. Damit war der Weg freigemachtfür allgemeine Anerkennung der Entwertung, die der Schilling durch die Behandlung der Oedit-Anstalt-Krise und durch die mangelnde Anpassung des österreichischen Preisniveaus an die Weltpreise erfahren hatte. Es dauerte aber noch erhebliche Zeit, bis diese Anerkennung einen sichtbaren offiziellen Ausdruck erhielt. Allerdings handelt es sich hier auch darum, wohl zu unterscheiden zwischen den Vorschriften und Abgaben, die theoretischbestehen, den tatsächlichen Ereignissen und Verhältnissen,die Ablauf des öffentlichen Lebens kennzeichnen. Die hier oft zu beobachtende Diskrepanz, die bei der Beurteilung wirtschaftlicher und politischer Zustände in den einzelnen Ländern,besonders in den letzten Jahren, zwischen schriftlichem Gesetz und praktischer Handhabung, von erheblicher Bedeutung geworden ist, tritt besonders bei den österreichischen Vorschriften der Devisenbewirtschaftung und ihren Anwendungen sehr stark in Erscheinung.

Die weitere Entwicklung des Privatclearings kennzeichnete sich dadurch, dass das Bewilligungsverfahren eine immer geringere Rolle spielte, namentlich auch der Verkauf von Devisen und Valutennicht daran gebunden war, irgendeinen bestimmten Gegenpart zu finden und dass es immer mehr Kreisen gestattet wurde, ihre Devisen auf diese Art mit einem Aufgeld abzustossen. Bezeichnenderweise waren die letzten, denen es erlaubt worden war, den vollen Gegenwert für die ihnen aus ihrer Tätigkeit zufliessendenDevisen

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fliessendenDevisenund Valuten zu erhalten, die Schriftsteller, Komponisten und dergl. Wie man sieht, handelt es sich um jene Individuen, die sich nicht zu organisieren vermochten und auf denen daher obsolet gewordene Vorschriften am stärksten lasteten. Zugleichbietet hierin ein Beispiel dafür, dass es unmöglich sein dürfte, irgendeinen wirtschaftspolitischen Grund zu finden, warum gerade die Ablieferung der diesen Kreisen zufliessenden Devisen zu den offiziellen Kursen »allgemeine Wirtschaftsnotwendigkeit« sein sollte. Es gilt eben in der heutigen Zeit als wesentlich wertvoller,Schweine Maschinen zu exportieren, als für wissenschaftlicheoder Tätligkeit Früchte zu ernten. Ein Fingerzeig für den Niedergang der europäischen Kultur auch in solchen Kleinigkeiten!

Alle diese Einzelheiten, die damals, als diese Bestimmungen noch in Geltung standen, wenigstens einigen Leuten als vernünftig und begründet erschienen, dünken uns heute, da wir diese Zustände überwunden haben., als völlig unsinnig. Wie wird erst das System als solches mit seiner vermeintlichen ökonomischen einer späteren Generation vorkommen, sich vielleicht doch wieder eines vernünftig funktionierenden Geldsystems erfreuen wird? Selbst heute schon kann man den grossen Abstand ermessen, der die österreichische — und damit auch die staatliche Finanzpolitik — von der so mancher anderer Staaten trennt, die sich gewöhnlich für wirtschaftlich unvergleichlich stärker hielten, aber nicht den Mut aufbrachten, Österreichs Beispiel zu folgen. In Österreich selbst — und das ist sicher merkwürdig — weiss man zu schätzen, was auf währungspolitischem Gebiete geleistet worden aber man schätzt die Beseitigung der drückenden Fesseln, so wie man wiedergegebene Freiheit und Gesundheit schätzt, nämlich als etwas natürliches. Vielleicht müsste man bei uns und bei anderen diese Gefühle stärken, um der Vernunft in der Wirtschaft mehr Bahn zu brechen?

Man darf nicht glauben, dass etwa die allgemeine Entwicklung, die hier in grossen Zügen angedeutet wurde und die schliesslich mit dem Ende der Ablieferungspflicht im April 1933 und der offiziellen Anerkennung des Disagio des Schillings ihren Abschlussfand, leicht und glatt vor sich gegangen wäre, wie es nach dieser Darstellung scheinen könnte. Dieser Anschein stellt sich deswegen ein, weil bisher nur die Faktoren erwähnt wurden, die im Sinne der Erleichterung wirkten, wogegen auch gleichzeitigandere

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zeitigandereMassnahmen getroffen wurden, die noch weitere Verschärfungen der Bestimmungen darstellten. Damit ist zugleich wieder ein Beitrag dafür geliefert, in welch hohem Masse die Wirtschaftspolitikselbst Gebiete widerspruchsvollzu pflegt. Zu diesen Verschärfungen gehören die verschiedenenKontingente, bald zu vollständigen Einfahrverboten wurden und denen schliesslich im Juli 1932 das Transfer-Moratoriumfolgte. dieser Gelegenheit ist darauf hinzuweisen, dass zwischen den monetären Massnahmen und der Handelspolitik sich rasch ein sehr enger Zusammenhang von allem Anbeginn her herausstellte. Wie immer in Krisenzeiten feierte zumindest in der grossen Masse der Geschäftsleute und auch — von den Politikernschon zu schweigen — bei vielen Wirtschafts Journalistendie Zahlungsbilanztheorie wieder einmal eine fröhliche, aber kurzlebige Wiederauferstehung. Diese vulgärökonomische»Theorie« zum Ueberfluss auf intellektuellemGebiete Tendenzen der schon oben besprochenen Automatikbei Wechselkursen, die die Einfuhreinschränkungennicht Preisausgleich, sondern durch Verbote herbeizuführenzwang.

Die Kontrolle der Notenbanken über die Devisenzuteilung musste in allen Staaten mit Devisenbewirtschaftungen zwangsläufig einer allgemeinen Kontrolle des Ausserhandels ausarten. Die Notenbanken wandten sich auf diese Weise immer neuen Gebieten zu, die mit ihren eigentlichen Aufgaben nichts unmittelbar haben. Infolgedessen muss streng genommen das System der Devisenbewirtschaftung zusammen mit der ganzen, dann stets extrem restriktiven Handelspolitik als eine Einheit betrachtet Daher könnte von einer Beseitigung einer Devisenbewirtschaftung dann mit voller Berechtigung gesprochen werden, wenn auch die in ihrem Geschlepp entstandene Handelspolitik ein normales Geleise zurückgebracht worden ist. Davon sind bisher in keinem der in Frage stehenden Staaten auch nur Ansätze zu spüren. Leider gilt dies auch für Österreich. So wenig damals zur Zeit der Einführung der Handelshemmnisse diese etwas mit wirklichem, technisch vernünftigem und wirksamem Währungsschutze zu tun hatten, so wenig gilt dies später. In Wahrheit sich lediglich, dass die Gelegenheit erfolgreich benutzt wurde, um einem bisher noch nicht durchsetzbaren Protektionismus dem Schlagwort der Förderung des Allgemeinwohles auf währungspolitischem Gebiete einen grösseren Spielraum zu verschaffen.

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Die Einstellung der Ueberweisungen für den Schuldendienst des Staates, der Länder und der grossen Gesellschaften gehört ökonomisch in die gleiche Kategorie aller Bestimmungen der Devisenverordnungen, die enthüllen, dass es sich oft nur um einen Schuldnerschutz handelt, während als wirkliche Gründe der Massnahmen ein währungspolitischer Grund vorgeschoben wird. Bestünde kein Transfer-Moratorium, so hätte sich der Staat die zur Abdeckung seiner Zinsenverpflichtungen nötigen Beträge auf freiem Markte zu höheren Kursen verschaffen müssen. Dies hätte einen grösseren Aufwand an Zahlungsmitteln erfordert, als der Staat je nach dem konkreten Fall vorzunehmen willens oder in der Lage war. Um diese Zahlungsunfähigkeit zu verdecken, wird in solchen Fällen in den meisten Staaten gewöhnlich der Grund geltend gemacht, dass es währungspolitisch bedenklich sei, die hiefür nötigen Devisen aus dem Markte zu nehmen. Wie dann die spätere Entwicklung, wo immer das auch zu beobachten ist, gezeigt hat, muss einer Tages das Transfer-Moratorium doch fallen gelassen werden, der Schuldendienst wird wieder aufgenommen (falls nicht doch ein Staatsbankrott erklärt worden ist) und es ensteht keineswegs die befürchtete Störung des Marktgleichgewichtes Devisen.

Das österreichische Transfer-Moratorium vom 23. Juni 1932 wurde allerdings in sehr bescheidenem Masse gehandhabt. Namentlich ist es wichtig festzustellen, dass sich die Österreichische Nationalbankerfreulicher von einem grossen Fehler frei gemacht hat, der in anderen Staaten oft begangen worden ist. Es wurde nämlich in Österreich verlangt, dass die fälligen Beträge auf Sonderkontoeingezahlt wenn auch zum offiziellen Kurs, und es wurde gleichzeitig dafür gesorgt, dass dieses Sonderkonto nicht als Basis für Ausleihungen verwendet werden konnte. Der Anspruchauf zusätzliche Kreditgewährung aus diesem Fonds wurde natürlich vielfach geltend gemacht: in Ungarn wurden die auf dieser Basis, vor allem zu Gunsten der Landwirtschaft gegebenenKredite »grüne« Kredite bezeichnet. Eine Kreditgewährungaus Transferfonds ist aber keine gleichgültige Sache, wie man leicht erkennt. Zum Zwecke einer genaueren Verständlichmachungder müsste ziemlich weit ausgeholt werden; es genügt jedoch der Hinweis auf folgendes: Transferschwierigkeitenentstehen einem ungünstigen Preisgefälle des Schuldnerstaates gegenüber den Gläubigerländern. Daher muss ein Preisdruck ausgelöst werden, um den Transfer zu Stande zu

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bringen. Das kann innerhalb sehr weiter Grenzen auf monetärem Wege erreicht werden. Wenn nun die in einen Transferfonds eingezahlten Beträge wieder in die Zirkulation gelangen, so wird der nötige Anpassungsprozess unmöglich gemacht (ausser zufällig durch Deflation auf anderem Gebiete kompensiert). Stapelt man dagegen die in den Fonds gezahlten Summen so auf, dass sie effektivaus Geld- und Kreditumlauf verschwinden und unterbleibt jede kompensatorische Kreditgewährung, so wird dadurch ein Druck auf das Preisniveau ausgeübt, der ein günstigeres Preisgefälleherstellt nun den Transfer möglich macht. In dieser vergröberten Weise kann man sich klar machen, welche Politik im Falle eines Transfer-Moratoriums angezeigt ist, falls man seinenTransferverplichtungen überhaupt nachzukommen gewillt ist, was in der heutigen Zeit nicht überall von vorneherein festzustehen scheint. Die gesamte Diskussion der letzen 20 Jahre über die Transferfrage ist nicht über die Ergebnisse hinausgekommen,die mehr als 100 Jahren bereits von Thornton und Ricardoerzielt Soweit aber reicht das Gedächtnis nur weniger Wirtschaftspolitiker zurück, eine Tatsache, die unnötige Erschwernisse schafft. In Österreich wurde durch die strengste Absonderung der nicht transferierten Beträge ein gewisser deflationistischerDruck der sich für die spätere Abwicklung nur günstig auswirken konnte, wie denn auch in der Tat die spätere allmähliche Auflösung der Guthaben aus diesem Titel bezeichnender Weise keine irgendwie nennenswerten Erschütterungenbrachte.

Für die Bankschulden war bald zu Beginn der eigentlichen Krise mit den ausländischen Gläubigern ein Stillhalteabkommen geschlossen das gelegentlich nicht sehr bedeutsame Änderungen allfällige Erneuerungen erfuhr, auf dessen Einzelheiten hier viel zu weit führen müsste. Es ist festzustellen, die Banken während des ganzen Zeitraumes ihre von dem Stillhalteabkommen erfassten kurzfristigen Schulden noch während des Bestandes dieser Vereinbarung ziemlich rasch abgedeckt mit dem einzigartigen Erfolg, dass am 10. Dezember 1934 Österreich von sich aus das Stillhalteabkommen kündigen konnte.

Nachdem wir nun in grossen Zügen den Gang der Entwicklung kennen gelernt haben, wird es von Interesse sein, die Hintergründe des Prozesses in Hinsicht auf die ihn begleitende oder ihn gar verursachende Argumentation kennen zu lernen. Die national-

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Ökonomische Wissenschaft hat einerseits bei der Kritik der Einführungund der Devisenbewirtschaftung eine ungewöhnlichgrosse gespielt, andererseits aber auch bei dem Abbau der Devisenbewirtschaftung durch die Beseitigung von positiven Argumenten und konkreten Vorschlägen insofern viel genützt, als sie zeigen konnte, dass dieser Abbau nicht nur ungefährlich,sondern Gegenteil für die gesamte Wirtschaft nützlichsei. dieser Gelegenheit möge ausdrücklich betont werden, dass die namentlich der jüngeren Generation angehörigen Wiener Nationalökonomen, die in diesen Jahren durch eine lebhafte publizistischeTätigkeit, ob unter ihrem Namen oder nicht, sowie durch Veranstaltung von Vorträgen, Diskussionen, ja sogar »Hearings« hervorgetreten sind, alle ausnahmslos Gegner der Inflationwaren. waren auch zu Beginn dieser Zeit ohne AusnahmeGegner Devalvation und betrachteten diese keineswegsals geeignetes Mittel der Krisenpolitik. Es darf wohl auch gesagt werden, dass sie diesen Standpunkt bis in die jüngste Zeit vertreten haben. Ich selbst bekenne mich nach wie vor zu der Ansicht, dass die Leichtfertigkeit, wirtschaftliche Schwierigkeitenmittels zu lösen, viel tiefergehendeVerheerungen der Welt angerichtet hat, als man in der Gegenwart überblicken und ermessen kann. Ich bin namentlichdavon dass eine kommende Krise auch aus diesem Grunde viel schwerere Erschütterungen bringen muss, als wir sie seit 1929 erlebt haben, ausser man entschliesst sich noch in letzter Minute, einen wirklichen Weltgesundungsprozess einzuleiten.Vorläufig davon nur das Gegenteil zu beobachten. Ueber die Frage der besten Krisenpolitik sind die Bücher gewiss noch nicht geschlossen, aber so viel dürfte doch sicher sein, dass mutwillige Währungszerstörung nicht zu jenen Mitteln gehört, die von der Klugheit ersonnen und von der Staatsraison diktiert wurden.

Vom Anfang an lag das Bestreben der in Betracht kommenden österreichischen Nationalökonomen darin, durch die Befreiung von der Devisenbewirtschaftung den echten Kurs des Schillings zu ermitteln, um dann die alte Parität wieder herzustellen, wenn sie nicht, wie anzunehmen, verloren war. Noch bis zu Beginn des Jahres 1932 hielt man eine Rückkehr zur Parität durch die geeignete scharfe deflationistische Kreditpolitik für einigermassen möglich. Als sich aber später durch genaue Untersuchungen herausstellte, dass sich das österreichische Preissystem an die Währungsentwertungschon

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tungschonweitgehend angepasst hatte und die Wirtschaftskrise sich immer noch verschlechterte, wurde man im Hinblick auf diese Möglichkeit wesentlich pessimistischer. Es war nicht mehr sehr schwierig zu erkennen, dass die Anstrengungen aller Freunde einer stabilen Währung nicht länger auf Hervorbringung eines die allgemeine Krise noch beschwerenden Deflationsdruckes zielenkönnten, darauf gerichtet sein müssten, raschestens das wahre Niveau des Schillings zu ermitteln und es sodann fest aufrechtzuerhalten. Ein Hauptmotiv dafür, dass diese Stellung eingenommenwurde, die Erkenntnis der damals schon so deutlichin tretenden Starrheit der österreichischen Wirtschaft.Man den ungehemmten Protektionismus am Werke, der Einfuhrverbote, Subventionen u. s. w. durchzusetzen wusste, die alle den für eine Rückkehr zur Parität nötigen Aupassungsvorgängenunüberwindliche bereitete. So blieb nichts anderes übrig, als den Preis dafür zu zahlen, d. h. die erfolgte Abwertung anzuerkennen. Die Aufbrechung der Erstarrungstendenzenin österreichischen Wirtschaft ist aber eine Aufgabe geblieben, die sich seither in ihrer Bedeutung nur vergrössert hat. Die Gefahren wurden rechtzeitig erkannt, weswegen ich in der schlagwortähnlichen Prägung, die dieser Politik gegeben werden musste, das Wort einer »Auflockerung des Preisgefüges« schuf, anstelle von Preissenkung zu sprechen; das ist auch bis in die jüngste Gegenwart die richtige Bezeichnung geblieben. Es gibt wohl wenig Fälle, wo man so deutlich wie hier zeigen kann, dass Vorteile für eine Gruppe eben Nachteile für andere Gruppen oder für die Gesamtheit bedeuten können und dass man zwischen diesen genau abwägen muss. Ist die österreichische Abwertung von 1931/32 z. T. ein Produkt mangelnder Elastizität gewesen, so handelt es sich allerdings um keine einzigartige Erscheinung, sondern um eine solche, die man in den meisten europäischen Staaten der Nachkriegszeit findet., Deshalb ist die Krise der letzten Jahre in ihren Auswirkungen besonders heftig gewesen.

Man darf sicherlich die Bemerkung machen, dass es bisher selten vorgekommen sein dürfte, dass Ökonomen in einer derart entschiedenenund Weise in die Wirtschaftspolitikeingegriffen wie dies in den Jahren 1931 1932 in Österreich geschah. Dabei ist zu betonen, dass keiner von ihnen durch seine Stellung einen unmittelbar entscheidenden Einflussgehabt Ihre Methode war lediglich die der Überzeugung durch nüchterne Argumentation, durch Darlegung von Tatsachen

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und Zusammenhängen, durch fortwährende Kontrolle der getroffenenangeblichen Vielleicht hat sich ähnliches in Schweden während des Krieges und besonders in den Nachkriegsjahrenbis die jüngste Zeit hinein zugetragen, wo bekanntlichebenfalls einer sehr kritischen Zeit eine recht vernünftigeWirtschaftspolitik worden ist. Der sogenannte »Brain-Trust« in Amerika kommt diesen Vorgängen nur sehr entfernt nahe; auch spielten bei diesem die Nationalökonomen im Gegensatze zu Psychologen und dergl. eher eine untergeordneteRolle. »Brain-Trust« war auch von Amtswegen dazu berufen, Meinungen zu äussern und Ratschläge zu geben. In Wien lagen die Dinge wesentlich anders, denn hier befanden sich die Ökonomen meist in lebhafter Opposition zu den massgebenden Kreisen. Hiervon ist der Präsident der Nationalbank auszunehmen,der, er durch die Tat bewiesen hat, selbst in genau der gleichen Richtung arbeitete und daher dieser Auflockerung der öffentlichen Meinung sympatisch gegenüber stand. Ja er erblickte in der Herausbildung einer klar umrissenen öffentlichen Meinung sogar eine wichtige Vorbedingung für den Erfolg seiner Währungspolitik,da sich in ganz besonders hohem Masse auf Ansichtenund auf Mitgehen und Vertrauen stützen musste. Man konnte daher von einem wirklichen — dabei nicht einmal organisierten — konkreten Zusammenwirken zwischen Wissenschaftund sprechen. Für diese Zusammenarbeit bestehen in Österreich seit langem die schönsten Vorbilder und man muss hoffen, dass diese für beide Teile so fruchtbringende Ueberlieferunglebendig Die betroffenen parasitären Interessen hatten natürlich eine andere Auffassung von der einzuschlagendenPolitik von ihnen kam begreiflicher Weise der Hauptwiderstand.Vielleicht die guten Erfahrungen zu etwas Optimismus ermutigen, dahingehend, dass die ökonomische Theoriedoch ganz so unbrauchbar ist, wie ihre Gegner immer wieder behaupten. Mit einiger Beharrlichkeit wird sich gewiss viel erreichen lassen.

Es wäre auch falsch, wie dies gelegentlich später behauptet worden ist, anzunehmen oder zu unterschieben, es sei die Stellungnahmegegen Devisenbewirtschaftung und damit implizitefür Anerkennung der erfolgten Devalvation eine Einstellungim der Grossbanken gewesen. Das ganze Gegenteil hiervon ist wahr; denn die Banken waren damals die schärfsten Befürworter der Devisenbewirtschaftung, die vom ersten Augenblickean

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blickeanals ein Schutzmantel für sie wirkte und verhinderte, dass die nötigen Bereinigungen im Bankwesen auch bezüglich des Auslandesschnell vor sich gingen. Es ist daher auch bezeichnend,dass Bankensanierung nur stufenweise durchgeführt werden konnte und diese Stufen annähernd mit den Etappen des Abbaues der Devisenbewirtschaftung zusammenfallen. Man kann den allgemeinen Satz aufstellen, dass in einem. Lande, in dem eine Devisenbewirtschaftung besteht, das Banksystem nicht vollkommen in Ordnung ist, was fast gleichermassen für die Privatbankenwie die Notenbanken der betreffender Länder zu gelten pflegt. Daher muss der gegenwärtige Konjunkturaufstieg mancher Länder als durchaus künstlich und ungesund angesehen werden, denn schon bei einem wohlgeordneten Kreditsystem pflegt nachher eine Krise zu kommen. Wie wird der nächste Konjunkturabstiegerst wenn die Geld- und Banksysteme schon vorher zerrüttet waren? Die Behauptung, dass in Staaten mit Devisenzwangswirtschaft die Banken trotz allen Anscheines nicht in Ordnung sein können, mag als etwas weitgehend bezeichnetwerden. man vergegenwärtige sich, was eine Kommerzbank sein soll, oder was sie Aufgaben einer Notenbank sind, wenn das betreffende Land überhaupt irgendwie in den internationalen Wirtschaftsverkehr eingeschaltet ist, um sich klar zu machen, dass diese Aussage in vollem Umfange zutrifft.

Das hauptsächlichste Argument, das für die Devisenbewirtschaftungins geführt wurde, war dieses, dass es sich um einen »Schutz« des Landes handle, dass eine grosse »Devisenknappheit«bestehe dass es vor allen Dingen unmöglichsei, Devisenbewirtschaftung einseitig aufzuheben. Es sei allenfalls denkbar, die Devisenbewirtschaftungzu wenn alle Länder, die eine solche Einrichtungbesitzen, zu einem Abbau übergingen. Dieser angeblich auf wissenschaftlicher Erkenntnis beruhenden Behauptungwurde Seiten der Nationalökonomen auf das schärfste entgegnet. Zunächst wurde durch rein theoretische Überlegungenklar dass von einer stichhältigen Beweisführung keine Bede sein könne. Die Tatsachen haben dann, wie nicht anders zu erwarten war, der ökonomischen Ableitung recht gegeben,denn ist bis heute das einzige Land geblieben, dass seine Devisenbewirtschaftung in weitem Masse abgebaut und praktisch beseitigt hat, ohne dass andere Länder, am wenigsten die umgebenden Staaten, mit denen Österreich im engsten wirtschaftlichenAustausch

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schaftlichenAustauschsteht, in gleichen Richtung vorgegangen wären. Diese haben im Gegenteil ihre Massnahmen noch wesentlichverschärft. dieser einseitigen Loslösung ist es ungefähr so, wie mit der angeblichen Unmöglichkeit des Ueberganges irgend eines Staates zum völligen oder teilweisen Freihandel, während in der übrigen Welt Protektionismus herrscht, eine Behauptung,die immer wiederholt wird, wodurch sie jedoch nicht weniger falsch wird. Es ist ein Ruhm für Österreich, dass es das einzige Land geblieben ist, das seine Währung befreit und in Ordnung gebracht hat. Im Interesse der internationalen Wirtschaftsgesundungwäre zu wünschen, dass diese Tat nicht so einzigartig geblieben wäre, wie es der Fall ist, denn nur wenn die anderen Staaten folgen, wird die beste Grundlage für eine kaum noch aufschiebbare internationale Neuordnung auf monetärem Gebiete geschaffen.

Die Furcht, die es vor allen zu beseitigen galt, äusserte sich darin, dass behauptet wurde, bei einer Freigabe des Devisenverkehreswürde Schilling »ins Bodenlose« lallen und er wurden »Devisengeschäfte auf unserem Rücken« gemacht werden. Man stellte sich darunter vor, dass die Länder mit sogenannten schlechtenWahrungen die guten Dollars, Pfunde, Schweizer Franken etc. »wegkaufen« würden. Da Unterschiede in der Güte der Währungen schliesslich auch vor den Krisen jähren bestanden haben, so muss man sich fragen, warum denn die guten Goldwährungennicht früher von den schwachen Ländern weggekauftwurden; sollten am Ende unsere Zeitgenossen so viel tüchtiger geworden sein? Dies gibt zugleich des höchst banalenRätsels es ist klar, dass am wirklich freien Markte der Kurs in Wien z. B. von Lei zu Dollar über den Schilling nicht anders sein kann, als von Lei zu Dollar in New York (von geringfügigen Spesenunterschieden abgesehen), da international die Relationen aller Währungen an allen Orten immerdieselben müssen. So würde im Falle eines starken Leiangebotesin das mit der Absicht vorgenommen würde, in Wien Dollar »wegzukaufen«, sofort ein so starker Rückgang des Lei gegenüber dem Schilling eintreten, dass der Kauf von Dollar über Schilling niemals auf die Dauer günstiger werden könnte als der Kauf von Dollar mittels Lei in New York. Es ist allerdings Voraussetzung, dass die Geldmärkte wirklich frei sein müssen; bestehen Beschränkungen, so sind allerlei Ausnahmen denkbar. Solcherlei Ausnahmen könnten bei CleaHnøs und sonstigen Zahlungsübereinkommen,die

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lungsübereinkommen,dieauch nicht zu den normalen Mitteln des internationalen Währungssystems gehören, eintreten. Es ist einigermassen amüsant, dass man hier einmal deutlich sehen kann, wie man sich mit halben Befreiungen und dergleichen unter Umständen ins eigene Fleisch schneiden kann, während etwas mehr Kühnheit und Folgerichtigkeit eine wirkliche Sicherung der Währung bringt. Diese höchst primitiven, eigentlich jedem Bankbeamten hinter dem Schalter selbstverständlichen Überlegungenmussten in zahllosen Zeitungsartikeln, Diskussionen,Denkschriften, wieder dargelegt werden. wSchliesslich überzeugten sich auch breitere Kreise. Heute ist die seinerzeitige Furcht nirgends mehr anzutreffen und auch der weniger geschulte Mann hat für dieses Argument nur noch ein Kopfschütteln.

Die Divergenzen, die sich zwischen der Durchführung der geschilderten der Bestimmungen einerseits und der wissenschaftlichen Beurteilung dieser Massnahmen andererseits ergaben, betrafen eigentlich nur das Tempo des Abbaues. Die Erleichterung erfolgte, wie oben ausgeführt wurde, verhältnismässig nur nach langem Abtasten der wirklichen Verhältnisse, die öffentliche Meinung unter dem Einfluss der systematischen Propaganda vielfach auf eine viel schnellere Abwicklung drängte. Ich halte es für ausgeschlossen, im nachhinein ob der Abbau wirklich hätte viel schneller vor sich gehen können. Die Leitung der Nationalbank legte, wie schon gesagt, grosses Gewicht auf den Vertrauensfaktor und sie scheint es als eine gewisse Richtschnur ihres Handelns betrachtet zu haben, dass eine Erleichterung erst dann Platz greifen sollte, wenn der Boden für sie in der öffentlichen Meinung schon genügend war. Die Nationalökonomie ist eben weniger als jede andere Wissenschaft, in der Lage, alle Faktoren, die bei der praktischen Durchführung von Vorschlägen eine Rolle spielen, zur Gänze zu veranschlagen. Dazu bedarf er bei ihrer Anwendung der ergänzenden Erfahrung des Praktikers, der auch andere Umstände die sich der rein wissenschaftlichen Behandlung In diesem Falle sind es, wie immer., die politichen und die psychologischen Elemente, die nicht in allen Ländern gleich geartet sind.

Zu den speziellen Faktoren, die bei dem grossen Abbau der Devisenbewirtschaftung eine grossen Rolle spielten, gehört die Tatsache, dass das Weltmarktpreisniveau während der Jahre 19311932 und zum Teil noch bis 1934 sank. Die österreichisehenGrosshandelspreise

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sehenGrosshandelspreiseund der Index der reagiblen Preise sind im Verlaufe dieser Jahre fast gleichgeblieben und seit der zweiten Hälfte 1933 wie meist in der Welt einigermassen gestiegen. Die Entwertung des Schillings, die im Herbst 1931 eintrat, musste selbstverständlich ihren Ausdruck in der Preishöhe finden. Grob gesprochen war die Alternative die, dass bei stabilen Weltmarktpreisendie Preise annähernd um den Perzentsatzder des Schillings steigen mussten oder dass sie konstant bleiben konnten, falls die Weltmarktpreise um ebensovielzurückgingen, ein Gleichgewicht zwischen den beiden Preisniveaus und der Währungsentwertung hergestellt werden konnte. Die Tatsache, dass in Österreich die Preise konstant bliebenund sich auf diese Weise, d. h. ohne absolute, sondern nur durch relative Preissteigerung, die Anpassung an die Entwertungvollziehen hat zweifellos ganz erheblich dazu beigetragen, die formelle Devalvierung zu erleichtern. In dieser Hinsicht ist das österreichische Beispiel, das im übrigen wirklich als ein wohlgelungenes Experiment betrachtet werden kann, dessenÜbertragbarkeit andere Fälle ausser Zweifel steht, mit einer gewissen historischen Einmaligkeit ausgestattet. Die Nutzanwendungder des österreichischen Vorganges ist jedoch auch für jene Staaten sehr erheblich, die heute noch Devisenbewirtschaftunghaben, die bei diesen Ländern eingetretene de facto Entwertung ebenfalls schon mit einer Preisanpassung verbunden ist. Ich glaube, dass dies für die Mehrzahl der Länder gilt, die hier in Betracht zu ziehen wären, wie z. B. Ungarn, Rumänien,Bulgarien s. w. Obwohl also bei ihnen noch keine offizilelleAnerkennung Entwertung vorliegt, würde eine Aufhebungder genau wie damals in Österreichnur Einbekennung eines tatsächlich bestehenden Zustandesbedeuten, aber irgend etwas mit einer neuen Devalvationzu haben. Die Beseitigung der Devisenbewirtschaftungwürde diesen Ländern daher auch keinerlei Erregungauslösen weil ja die Anpassungsvorgänge, die zu erwarten wären, zum grössten Teil schon vorweggenommen sind.

Zum Schluss dieser Darlegungen muss hervorgehoben werden, dass die entscheidende Tatsache, auf die es bei der Frage der Einführung und Beseitigung einer Devisenbewirtschaftung letzten Endes ankommt, diejenige ist, ob es sich bei den von der Zentralstelleoffiziell Kursen um echte Kurse handelt oder nicht. Durch eine in Heft 4, Band 6 (1932) der Monatsberichte

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des Österreichischen Institutes für Konjunkturforschung abgedruckteUntersuchung erstmalig in Österreich genaue Beweisedafür dass der wahre Wert des Schillings gesunkenwar. Beweis musste. da es an unmittelbaren Ziffern fehlte, auf eine indirekte Weise gegeben werden. Der Gedanke, der dabei zur Durchführung kam, lag darin, dass sich eine relativeÜberhöhung österreichischen Preisniveaus gegenüber den Weltmarktpreisen nachweisen Hess. Als Weltmarktpreise wurden gewisse amerikanische Preise ausgesucht, bei denen im Vergleich zu den österreichischen Preisen Jahre hindurch mit einem konstanten »Lag« und einer konstanten absoluten Differenz in der Höhe eine grosse Parallelität bestanden hat. Es zeigte sich, dass der mit Ende 1931 sichtbar werdende Perzentsatz der Ueberhöhungder Preise annähernd mit den später allmählich verfügbar gewordenen anderen Ziffern, die gleichfallsdie massen, übereinstimmte. Die anderenDaten, mit der Zeit verfügbar wurden, bestanden zum Beispiel in gewissen Zuschlägen zu den Preisen ausländischer Obligationen. Ebenso gelang es, einen Preis für in Wien noch aus Versehen frei gehandeltes Gold zu ermitteln.

Es ist klar, dass der Nachweis eines Unterschiedes zwischen dem echten, d. h. effektiven Kurs der eigenen Währung und dem offiziellen, welcher Unterschied in jedem Lande mit Devisenbewirtschaftungbestehen auch breiteren Kreisen klar machen musste, dass diese Situation auf die Dauer unhaltbar sei. Um dies zu verstehen, genügt es über die Anfangsgründe der Preistheorie Bescheid zu wissen. Bei Goldwährung braucht man bekanntlich keine Devisenbewirtschaftung, was ihr von manchen Neuerungssüchtigen nebst so vielem anderen zum Vorwurf gemachtwird. eine solche im Grunde unhaltbare Situation verschiedenerWechselkurse die gleiche Währung beseitigt werden,so offenbar immer wieder nur ein und dieselbe Alternative: entweder es wird der niedrige effektive Wert zum offiziellen gemacht, oder der offizielle Wert wird zum effektiven gemacht. Je nach der konkreten Lage mag das eine oder andere vorzusiehen sein. Ist die Preisüberhöhung und die Preisanpassung in dem betreffenden Lande weit fortgeschritten, so dürfte es zweckmässig sein, den effektiven Kurs allmählich zum offiziellen zu machen. Dies geschah, wie wir gesehen haben, in Österreich. Ist die Abweichung noch gering und besteht eine genügend grosse

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Anpassungsfähigkeit des Preissystems, so mag es möglich sein,
durch Deflation einen Ausgleich herbeizuführen.

In beiden Fällen jedoch, und dies ist hier das wesentliche, bedeutet Erreichung einer Uebereinstimmung von offiziellem mit effektivem Kurs die Nötigung zur Beseitigung der dann völlig sinnlos gewordenen Devisenbestimmungen. Solange also eine Devisenbewirtschaftung besteht, die mit verschiedenartigen Zuschlägen den Kursen der ausländischen Zahlungsmittel arbeitet, eine auf die Dauer unhaltbare Situation gegeben. Natürlich kann ein solches System mehrere Jahre bestehen. Es wird dann lediglich zu fragen sein, welchen Schaden es anrichtet, indem es zum Beispiel tiefgehende Strukturverschiebungen in der Wirtschaft die wegen der Unhaltbarkeit der Situation mit schweren Kapitalverlusten enden müssen. Die in Betracht kommenden zeichnen sich jedoch gerade durch grosse Kapitalarmut die in ihrem hohen Zinsfussniveau zum Ausdruck kommt. Dies gehört aber nicht mehr in diese Erörterungen. Es kommt also wesentlich darauf an, durch genaue Untersuchungen, die jedoch genügend sinnfällig sein müssen, den verantwortlichen Stellen, ebenso wie den breiten Massen der Bevölkerung klar zu machen, dass die gesetzmässige Regelung dem wirklichen Tatbestand höchst mangelhafter Weise Rechnung trägt. Ich bin der festen Ueberzeugung, dass der Darlegung von Tatbeständen, der Schilderung von Prozessen in allen ihren Fern- und Nebenwirkungen aüsserordentlich grosse praktische Bedeutung zukommt. Je genauer die Tatsachen bekannt sind, je regelmässiger beschrieben werden, desto mehr wird aller nur von ungefähr begründeten, in Wahrheit von Sonderinteressen diktierten die Grundlage entzogen, desto vorsichtiger wird man werden. Allerdings muss dafür gesorgt werden, dass diese Tatsachenforschung, von der wir soeben einen klaren und wichtigen Einzelfall kennen gelernt haben, wirklich unabhängig bleibt. Diese Forderung ist aber gerade in den heutigen verworrenen nur schwer erfüllbar.

Verbleibt in einem Lande, wie Österreich, trotz der kurz geschildertenweitgehenden der Devisenbestimmungen, immer noch ein Rest von Aufsicht und Einflussnahme der Notenbankübrig, kommt dies hauptsächlich daher, dass erstens alle bestehenden Einrichtungen eine gewisse Tendenz zur Beharrlichkeitbehalten andererseits ein legitimes Interesse der Notenbankbesteht,

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bankbesteht,den reinen Kapitalverkehr zu beaufsichtigen. Wenn so grosse Kapitalbewegungen vorfallen, wie das in den Jahren nach dem Kriege in so beträchtlichem Ausmasse geschah, und wenn infolge der politischen Unsicherheit das Kapital eine gegenüber der Vorkriegszeit wesentlich grössere Nervosität und daher Beweglichkeitan Tag legt, dann ist es verständlich, dass die Notenbanken darauf bedacht sind, eventuell zu starke und plötzlicheKapitalbewegungen

Insofern liegt der positive Gehalt, der bei den Devisenbestimmungen zu finden ist, vor allem auf dem Gebiete des Kapitalverkehrs und es wäre denkbar, dass die Fortbildung der wirtschaftlichen Organisation im Laufe der Jahre und Jahrzehnte aus der heutigen Zeit einiges von dem beibehält, was sich in dieser Richtung günstig auswirken könnte. Es wird jedoch noch tiefer und sorgfältig belegter Untersuchungen bedürfen, ehe hierüber völlige Klarheit besteht. Von erheblichem Werte wäre es, wenn es gelänge, das reichliche statistische Material, das während der Zeit der Devisenkontrolle automatisch anfällt, systematisch aufzuarbeiten den Wissenschaftlern zugänglich zu machen. Auf diese Weise würde die Wissenschaft in die Lage versetzt werden, zu wesentlich vertiefteren Einsichten in wichtige Zusammenhänge des Geldwesens und des internationalen Handels zu gelangen, Einsichten, bei spätere Krisen, mit denen wir wohl werden rechnen nur von Nutzen für die Allgemeinheit sein können.