Nationaløkonomisk Tidsskrift, Bind 3. række, 41 (1933)

VERSUGH EINER STATISTISCHEN ERMITTLUNG VON STATISGHEN INDIVIDUELLEN KOSTENKURVEN 1)

Privatdocent Dr. ERICH SCHNEIDER, Bonn.

1. Fast ausschliesslich hat sich die ökonometrische Forschung der neuesten Zeit der Theorie der Nachfrage zugewandt. WertvollsteErgebnisse sind dabei erzielt worden. Schon jetzt verfügen wir über eine Reihe von Methoden, die, wenn auch noch hier und dort mit den Unebenheiten jeder Pionierarbeit behaftet, geeignet sind, uns über die konkrete Struktur der Nachfrage nach gewissen Gütern bzw. Gütergruppen Aufschluss zu geben. Allein, nur ein Baustein zu dem im Entstehen begriffenen Bau einer synthetischenOekonomie im Sinne H. L. Moores ist damit gewonnen. So wertvoll die bisher erreichten Ergebnisse an sich sind, ihre krönende Verwendung werden sie erst dann finden können, wenn es gelingt, weitere Gebiete der Theorie, vor allem das so wichtige Gebiet der Kostentheorie, der ökonometrischen Forschung zu erschliessen.Erst eine statistische Kostentheorie gibt uns durch Kombination ihrer Resultate mit denen der statistischen Theorie der Nachfrage die Möglichkeit des Aufbaus einer statistischen synthetischen Theorie des Ökonomischen Gleichgewichts, wenn auch zunächst nur einer statistischen Theorie der Partialgleichgewichte.Es bedarf kaum eines Hinweises darauf, dass eine statistischeUnterbauung der Kostentheorie zugleich weite Perspektivenin praktischer Richtung eröffnet, indem sie die notwendige sichere Grundlage schafft, auf der allein eine fruchtbare Erörterungaller Fragen der industriellen und landwirtschaftlichen Produktion, die ja alle in ihrem Kern kostentheoretischer Natur sind, möglich ist. Um nur einige Beispiele zu nennen: Diskussionenüber kostenmässige Wirkungen aller jener Vorgänge, die man mit dem Schlagwort »Rationalisierung« bezeichnet, über



1) Vortrag, gehalten auf der zweiten europäischen Tagung der Econometric Societv in Paris am 1. Oktober 1932.

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Fragen der Kapazitätsausnutzung, über das Problem der optimalenProduktionsmenge, über den kostenmässigen Erfolg der Vertrustungeines Industriezweiges usw. stehen nur dann auf sicheremBoden, wenn dieser auf den tragfähigen Säulen der Oekonometrieruht.

Es muss eigentlich verwundern, dass angesichts der brennenden Wichtigkeit aller Fragen, die mit der Kostengestaltung der Produktion im Zusammenhang stehen, bis heute, wenn wir von einigen vereinzelten betriebswissenschaftlichen Studien, die gelegentlich diesen Problemkreis streifen, absehen, kaum — m. W. keine planmässigen — Versuche unternommen worden sind, die Kostentheorie statistisch im Sinne der Oekonometrie zu erweitern und zu ergänzen. Der Grund dafür dürfte in der Schwierigkeit zu suchen sein, die notwendigen zahlenmässigen Unterlagen zu beschaffen. Eine ökonometrische Behandlung der Kostentheorie, die Aussicht auf Erfolg haben soll, ist völlig auf die Daten der internen Statistiken der industriellen und landwirtschaftlichen Betriebe angewiesen, die aus begreiflichen Gründen nur ungern »Aussenseitern« Einblicke in die interne Betriebstatistik gewähren.

Nur dem glücklichen Umstand, durch persönliche Beziehungen weitesten Einblick in die internen statistischen Aufzeichnungen einer Zementfabrik erhalten zu haben, ist es zu danken, dass in einem Einzelfalle ein zentrales Problem der statistischen Kostentheorie — das Problem der statistischen Ermittlung statistischer individueller Kostenkurven und ihrer Veränderungen im Zeitablauf — in Angriff genommen und der Versuch gemacht werden konnte, es seiner Lösung näher zu bringen1).

2. Das in dieser Arbeit entwickelte Verfahren zur statistischen Ermittlung von statischen individuellen Kostenkurven ruht ganz auf den theoretischen Grundlagen, die ich in meiner vor kurzem in dieser Zeitschrift erschienenen Untersuchung dargelegt habe, auf die ich den Leser hier verweisen muss2). Er findet dort auch



1) Ich bin Herrn Dr. Ehrke, Bonn, mit dem zusammen ich den statistischen Teil der Untersuchung bearbeitet habe, für seine Bereitwilligkeit, mit der er alle notwendigen Daten zur Verfügung gestellt und die notwendigen Rechnungen durchgeführt hat, zu grösstem Danke verpflichtet. Ohne seine umfassende Kenntnis des untersuchten Betriebes und seine Vertrautheit mit den Besonderheiten der Zementproduktion und seine ständige Mitarbeit wäre die Arbeit undurchfürbar gewesen.

2) E. Schneider, Statische Kostengesetze, Nationaløkonomisk Tidsskrift Bd. 60. 1932. S. 393-424.

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den Begriffsapparat, mit dem die folgende Analyse arbeitet. Nur wenige Ergänzungen zu dem, was dort gesagt wurde, sind erforderlich,Ergänzungen, die sich wesentlich auf den Begriff des ökonomischen Grades einer Produktionsmethode (Technik) beziehen.

Wie in der früheren Arbeit auseinandergesetzt wurde, definieren wir die von einem Betriebe benutzte Produktionsmethode durch die von ihm realisierte Mengenkombination der Produktionsfaktoren (1. c. S. 397). Hat der Betrieb eine bestimmte Mengenkombination der Faktoren realisiert, so sind damit gleichzeitig, bei gegebenen Preisen der Faktoren, wie ebenfalls dort gezeigt wurde, in eindeutiger Weise die Gesamtkostenkurve sowie alle daraus abgeleiteten Kostenkurven bei partieller Anpassung des Betriebes an Schwankungen des Produktionsumfanges bestimmt. Zugleich sind damit in eindeutiger Weise jedem mit einer bestimmten Produktionsmethode ausgerüsteten Betriebe, d. h. jeder bestimmten Mengenkombination der Faktoren die technisch optimale Produktionsmenge (d. i. die Menge, bei der die Grenzkosten bei partieller Anpassung ihr Minimum erreichen) sowie die ökonomisch optimale Produktionsmenge oder Kapazität (d. i. die Menge, bei der die Stückkosten bei partieller Anpassung ihr Minimum erreichen) zugeordnet. Es ist wesentlich, dass zu jeder realisierbaren Mengenkombination der Faktoren, also zu jeder realisierbaren Produktionsmethode, bei gegebenen Preisen der Produktionsfaktoren eine eindeutig bestimmte Kostenkurve des Betriebes bei partieller Anpassung gehört.

Nehmen wir an, der Betrieb sei auf den Umfang x0 eingestellt, habe also eine Mengenkombination der Faktoren realisiert, mit der gerade die Menge x0 hergestellt werden kann, wobei es für die weiteren Betrachtungen ganz unwesentlich ist, ob die realisierteMengenkombination der Faktoren für x0 eine Minimalkostenkombinationist oder nicht. Bei gegebenen Preisen der Produktionsfaktorenbestimmt die realisierte Mengenkombination in eindeutiger Weise die Gesamtkostenkurve des Betriebes bei partiellerAnpassung und alle daraus abgeleiteten Kurven. Stellt sich jetzt der Betrieb auf einen neuen — wir können ohne Einschränkungder Allgemeinheit annehmen, höheren — Produktionsumfang x1 unter statischen Bedingungen um, d. h. realisiert er eine in der Produktionsfunktion enthaltene Mengenkombinationder Faktoren, mit der gerade die Menge x1 hergestellt werden kann, so gehört zu dieser neuen Mengenkombination der Faktoren

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eine neue, wohlbestimmte Gesamtkosten-, Grenzkosten- und Stückkostenkurvedes
Betriebes bei partieller Anpassung.

Sind nun nach erfolgter Umstellung die Grenzkosten bei partieller Anpassung der zu dem Umfang x 1x1 gehörigen Kurve für jede Produktionsmenge im Bereich von Null bis zur kleineren der beiden technisch optimalen Produktionsmengen, also im Bereich von 0 bis xO,x0, kleiner (grösser) als die entsprechenden Grenzkosten bei partieller Anpassung der zu dem Umfang x0 gehörigen Kurve, so wollen wir sagen, der ökonomische Grad der nach der Umstellung vorhandenen Produktionsmethode sei grösser (kleiner) bzw. höher (niedriger) als derjenige der vor der Umstellung benutzten Produktionsmethode. Entsprechend definieren wir den Grad zweier verschiedenen Produktionsmethoden als gleich, wenn die Grenzkosten bei partieller Anpassung für sämtliche Mengen im Intervall von Null bis zur kleineren der beiden zugehörigen technisch optimalen Produktionsmengen für die beiden Produktionsmethoden übereinstimmen. Es ist darauf zu achten, dass die letzte Definition nicht die Identität der beiden Produktionsmethoden im technischen Sinne beinhaltet. Zwei Produktionsmethoden, die den gleichen ökonomischen Grad besitzen, brauchen keineswegs technisch identisch zu sein. Es können sehr wohl bedeutende Aenderungen im technischen Arrangement des Betriebes erfolgen, so dass die Produktionsmethode im technischen Sinne völlig verändert, trotzdem aber der ökonomische Grad in keiner Weise beeinflusst wird, also nach wie vor ein zusätzliches Mengenelement zu den gleichen Kosten erzeugt wird. Dass alle Umstellungen, die die technische Struktur der Produktionsmethode nicht ändern, also Betriebserweiterungen (1. c. S. 400/401) und Parallelschaltungen von gleichen Betrieben, natürlich den Grad der Produktionsmethode nicht beeinflussen, ist selbstverständlich. Es bedarf auch weiter keiner ausführlichen Erörterung, dass alle disse vergleichenden Aussagen über den Grad zweier Produktionsmethoden natürlich nur einen Sinn unter der Voraussetzung haben, dass bei allen betrachteten Umstellungen des Betriebes die Preise der Produktionsfaktoren konstant bleiben.

Beobachten wir also in der Wirklichkeit zwei zu verschiedenen Kapazitäten gehörige Grenzkostenkurven bei partieller Anpassung, die sich in dem Bereich von Null bis zur kleineren der beiden technisch optimalen Produktionsmengen decken, so können wir

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nicht ohne weiteres schliessen, dass der Betrieb einfache Erweiterungenvorgenommen hat. Es kann sich vielmehr auch um zwei technisch vollkommen verschiedene Produktionsmethoden mit ökonomisch gleicher Höhe handeln. Eine Entscheidung, welcher Fall tatsächlich vorliegt, kann nur auf Grund eingehender Kenntnisder Betriebes gefällt werden.

Wenden wir den oben definierten Begriff des höheren oder niedrigeren ökonomischen Grades einer Produktionsmethode auf den Fall der ökonomisch totalen Anpassung eines Betriebes an Schwankungen des Produktionsumfanges an, so folgt aus unseren in der früheren Arbeit angestellten Untersuchungen (1. c. S. 419 ff.), insbesondere aus Fig. 9 (1. c. S. 423), dass — unter den dort gemachten Voraussetzungen — jede ökonomisch totale Anpassung eines Betriebes an einen höheren Produktionsumfang stets zugleich ein Uebergang zu einer Produktionsmethode von ökonomisch höherem Grade ist.

3. Ausgerüstet mit den in unserer früheren Arbeit bereitgestellten und hier ergänzten Begriffswerkzeugen soll jetzt der Versuch gemacht werden, die statischen Kostenkurven in einer Zementfabrik für eine Reihe von Zeitpunkten statistisch zu ermitteln und ihre Veränderungen im Zeitablauf zu analysieren.

Als Grundlage für die statistische Arbeit dienten folgende Daten:Für die Jahre 1867/68, 1873, 1881/82, 1888/89, 1897 und 19071) wurden aus den statistischen Aufzeichnungen über die technischen Kapazitäten des Betriebes in verschiedenen Zeitpunkten die wirtschaftlichenKapazitäten näherungsweise ermittelt. Als Zeiteinheit wurde der Monat gewählt. Für jeden Zeitabschnitt, in dem der indirekte Aufwand des Betriebes unverändert blieb, der Betrieb also bei Schwankungen des Produktionsumfanges partielle Anpassungenvorgenommen hat, wurde ferner eine Reihe von monatlichenErzeugungsmengen mit den entsprechenden Gesamt- bzw. Stückkostenwerten der Betriebsstatistik entnommen (Tabelle I, Spalte I—s).15). Um Kostendaten zu erhalten, die genügend voneinanderabweichen, um eine möglichst genaue Konstruktion der Kostenkurven zu ermöglichen, wurden Monate mit der kleinsten in dem betreffenden Zeitintervall erreichten Ausbringung, solche



1) Die Untersuchung erstreckte sich in Wirklichkeit auf einen grösseren Zeitraum. Die ausführliche und vollständige Darstellung wird der Leser in dem von Dr. Ehrke und mir bearbeiteten Abschnitt über statistische Kostenkurven des in Kürze erscheinenden Buches von Ehrke über die »Ueberproduktion in der Zementindustrie« finden.

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mit einer genau oder annähernd genau der Kapazität entsprechendenProduktionsmenge und teilweise solche mit einer möglichst in der Mitte zwischen beiden Werten liegenden Ausbringung gewählt. JNur in einem Falle (Juli 1873) wurde die vorhandene Kapazität überschritten. Alle Daten schliessen oder beginnen zeitlich nicht selten kurz vor oder nach einer Veränderung der bisherigen Anlage.

Würden wir für die einzelnen Zeitabschnitte, in denen der Betriebauf Schwankungen des Produktionsumfanges durch partielle Anpassung reagiert hat, die Gesamtkosten als Funktion der produziertenMenge in einem graphischen Bilde zur Darstellung bringen, so hätten wir damit eine Serie von 6, sich auf verschiedeneZeitpunkte beziehende Gesamtkostenkurven bei partieller Anpassung. Allein, die Kurven, die wir so erhalten würden, besitzennoch keinen statischen Charakter. Zwar hat in dem betrachtetenZeitraum von 1867 bis 1907 eine merkliche Veränderungder Produktionsfunktion für die Zementproduktion nicht stattgefunden, wohl aber waren die Preise der benutzten Produktionsfaktorenerheblichen Schwankungen unterworfen. Um den Kostenkurven für die einzelnen Zeitabschnitte statischen Charakterzu geben und sie ausserdem untereinander vergleichbar zu machen, müssen wir also die beobachteten Kostendaten noch auf Preisschwankungen der Produktionsfaktoren korrigieren und alle Kostendaten in den Preisen eines als Basis gewählten Zeitpunktes ausdrücken. Es war a piori zu erwarten, dass eine Korrektur der Kostendaten auf Preisschwankungen mit Hilfe des üblicherweisezu diesem Zwecke benutzten Grosshandelspreisindex zu unbrauchbarenResultaten führen würde, weil in den Schwankungen des allgemeinen Grosshandelspreisindex die Preisschwankungen derjenigen Produktionsfaktoren, die gerade in der Zementproduktionbenötigt werden (Kalkstein, Ton, Steinkohle, Koks, Arbeitskraftu. a.) nur ungenügend ihren Ausdruck finden. Die Rechnungenbestätigten diese Erwartung. Es blieb deshalb nichts anderes übrig, die Kosten der Mengen der Faktoren,die zur Produktion der jeweiligen Zementmengenbenötigt wurden, einzeln für sich mit einemSpezialindex zu korrigieren. Da es unmöglich war, sämtliche an der Produktion beteiligten Faktoren der Korrekturzu unterwerfen, wurden nur die wesentlichen an der Produktionbeteiligten Faktoren, d. h. Arbeitskraft, Kalkstein, Ton, Steinkohle und Koks berücksichtigt, wodurch bereits 7080 pCt.

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Tabelle 1.

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der Gesamtkosten erfasst wurden. Die mit Hilfe dieses Verfahrens erzielten Resultate berechtigen zu dem Schlüsse, dass eine weitereKorrektur des unberücksichtigten Kostenrestes von 20 pCt. der Gesamtkosten das Ergebnis kaum verbessern würde. Die Spezialpreisindiceswurden auf Grund der Preise des Januar des Jahres 1867 als Basis errechnet; mit ihrer Hilfe wurden dann alle Kostendaten in Preisen dieses Basiszeitpunktes umgerechnet1).

Tabelle 1 enthält in den Spalten 6 und 7 die korrigierten Gesamtkosten
und Stückkostenwerte.

Stellen wir jetzt für jeden Zeitabschnitt, in dem der Betrieb sich
partiell angepasst hat, die korrigierten Gesamtkostenwerte als


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Fig. 1.

Funktion der zugehörigen Erzeugungsmengen graphisch dar, so besitzt jede einzelne Kurve statischen Charakter. Sämtliche Kurven sind ferner unter sich vergleichbar. Diese Darstellung ist in Fig. 1 zur Ausführung gebracht worden. AB stellt die statische Gesamtkostenkurve bei partieller Anpassung für den Zeitabschnitt Januar 1867 bis Juli 1868 dar, als der Betrieb eine Kapazität von (annähernd) der Grosse OB1 hatte. Ebenso zeigt CD die statische Gesamtkostenkurve bei partieller Anpassung für den Zeitabschnitt Januar 1873 bis Juli 1873, als der Betrieb eine Kapazität von der Grosse ODX hatte usw.

Das erste bemerkenswerte Resultat, zu dem eine Beobachtung der Figur Anlass gibt, ist, dass sämtliche 6 Kostenkurven im Bereichevon Null bis zur Kapazität mit grosser Genauigkeit geradlinigenVerlauf besitzen, eine Erscheinung auf die bereits gelegentlichvon betriebswissenschaftlicher Seite im Zusammenhang



1) Die ausführlichen Tabellen findet der Leser in dem in Kürze erscheinenden, schon genanten Buche von K. Ehrke.

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Fig. 2.

mit anderen Untersuchungen über das Problem der Abhängigkeit
der Kosten von Beschäftigungsgrade mit Nachdruck hingewiesen
worden ist1). In dem einzigen beobachteten Falle, wo die Kapa-

zität überschritten wurde (Juli 1873), zeigt das graphische Bild
der Gesamtkosten das nach der Theorie zu erwartende Umbiegen
der Gesamtkostenkurve nach oben und das entsprechende Stückkostenbild



1) Schneider, 1. c. S. 418, vor allem Anmerkung I.

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kostenbildsteigende Stückkosten. Die Tatsache, dass in dem vorliegenden Falle die beobachteten statistischen Gesamtkostenkurvenim Intervall von Null bis zur Kapazität einen fast genau geradlinigen Verlauf zeigen, bedeutet, wie unmittelbareinleuchtet, für die theoretische Diskussion eine wesentliche Vereinfachung: Algebraisch lässt sich die Gesamtkostenfunktionbei partieller Anpassung für jeden Zeitpunktin diesem Intervall durch eine einfache lineare Funktion


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beschreiben, in der a den konstanten, vom Beschäftigungsgrade unabhängigen Kostenbestandteil und b die in diesem Intervall konstanten Grenzkosten angibt. Geometrisch werden also die Grenzkosten jetzt einfach durch den Tangens des Winkels gegeben, den die Kostengerade im Bereich von Null bis zur Kapazität mit der Mengenachse bildet. Die Grosse der Steigung der Kostengeraden gibt uns also unmittelbar die Grenzkosten in diesem Bereiche. Ebenso wird jetzt in dem Bereich von Null bis zur Kapazität der Stückkostenverlauf durch die einfache Funktion


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beschrieben, der, wie manweiss, im graphischen Bilde eine gleichseitige
Hyperbel entspricht (s. Fig. 2).

Die folgende Tabelle 2 gibt die auf Grund der konstruierten Kostenkurven (Fig. 1) errechneten Werte der konstanten Kosten und Grenzkosten im Bereich von Null bis zur Kapazität für die sechs behandelten Zeitintervalle.


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Tabelle 2.

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Eine wirklich fruchtbare Verwendung finden diese durch eine isolierte Betrachtung der einzelnen Kostenkurven gewonnenen Resultate aber erst dann, wenn wir sie in vergleichender Analyse zueinander in Beziehung bringen und untersuchen, welchen Veränderungen die Gesamtkostenkurve im Zeitablauf unterworfen gewesen ist. Erst dadurch wird es möglich, auf die für Theorie wie Praxis gleich wichtige Frage nach den kostenmässigen Auswirkungen der Veränderungen der Betriebsgrösse sowie der Umstellungen in der technischen Struktur des Betriebes auf Grund einer exakten quantitativen numerischen Untersuchung eine Antwort zu geben. Zunächst zeigt ein Blick auf Fig. 1 und Tabelle 2 unmittelbar, dass durch die verschiedenen Umstellungen vom Jahre 1867 bis zum Jahre 1907 eine erhebliche Senkung der Grenzkosten erreicht wurde, im Sinne unserer früher gegebenen Definition also ein höherer ökonomischer Grad der benutzten Produktionsmethode erzielt wurde. Analysieren wir diese Vorgänge im einzelnen.

Ein Vergleich der Kurve des Jahres 1873 mit der für die Jahre 1867/68, zeigt, dass die Kapazität von 5700 Fass pro Monat auf 10400 Fass pro Monat unter gleichzeitiger, allerdings nicht sehr starker Senkung der Grenzkosten und einer annähernden Verdoppelung der konstanten Kosten erhöht worden ist. Auf Grund unserer oben gegebenen Definition des Begriffes der ökonomischen Höhe einer Produktionsmethode müssen wir also sagen, dass der Betrieb in dem Zeitraum 1867/68 bis 1873 zu einer höheren Technik übergegangen ist. Die von dem Betriebe in diesem Zeitraum durchgeführten Aenderungen geben unmittelbar eine Erklärung für diese Beobachtung: Durch Einbau neuer Oefen, durch Einführung maschineller Handmischung der Rohstoffe, Verbesserung der Transportverhältnisse zwischen den Aufbereitungsanlagen wurden die konstanten Kosten erheblich gesteigert und der Mechanisierungsgrad der Anlage erhöht. Zugleich wurde dadurch die bedeutende Steigerung der Kapazität erreicht.

Zu ganz anderen Ergebnissen führt uns ein Vergleich der Kurve des Jahres 1881/82 mit der des Jahres 1873. Die Kostenkurven beider Zeitabschnitte verlaufen parallel und sind um den kleinen Betrag ED gegeneinander verschoben. Der Betrieb hat also in dem Zeitabschnitt 1873 bis 1881/82 seine Kapazität unter kaum merklicher Erhöhung der konstanten Kosten und ohne AenderungderGrenzkoste n von 10400 Fass pro Monat auf 13800 Fass pro Monat erhöht. Die Tatsache, dass die Grenzkosten der

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für die beiden Zeitabschnitte geltenden Kostenkurven die gleichen sind, zeigt, dass im Sinne unserer früheren Definition die von dem Betriebe in den beiden Zeitabschnitten 1873 und 1881/82 benutzten Produktionsmethoden den gleichen ökonomischen Grad besitzen. Wie wir schon früher bemerkt haben, lässt sich daraus nicht unmittelbar der Schluss ziehen, dass der Betrieb in beiden Zeitabschnitten mit Produktionsmethoden von gleicher technischer Struktur gearbeitet hat. Er wäre sehr wohl denkbar, dass es sich in beiden Zeitabschnitten um zwei in ihrem technischen Aufbau verschiedenartige, aber in Bezug auf ihren ökonomischen Grad indifferente Produktionsmethoden handelt. Nur dann, wenn der Betrieb einfache Erweiterungen mit dem Streben nach einer harmonischerenGestaltungder Zusammensetzung der benutzten FaktorenkombinationoderParallelschaltungen vornimmt, sind beide Produktionsmethoden technisch und damit auch in Bezug auf ihren ökonomischen Grad identisch. Dass es sich in dem vorliegendenFallenicht um eine Parallelschaltung handeln kann, ergibtsichaus der kaum merklichen Steigung der konstanten Kosten um den Betrag ED. Wie man leicht sieht, führt nämlich eine Parallelschaltung von n gleichen Betrieben immer zu konstantenKosten,die gleich den n-fachen konstanten Kosten eines Einzelbetriebs des »Batteriesystems« sind. Wohl aber berechtigt die kaum merkliche Steigerung der konstanten Kosten beim Uebergang von der Kurve des Jahres 1873 zu der der Jahre 1881/82 und die nicht allzu grosse Steigerung der Kapazität zu der Vermutung,dassder Betrieb während des in Rede stehenden ZeitraumeseinfacheErweiterungen vorgenommen hat, eine Vermutung, die von den Tatsachen bestätigt wird: Im Zeitabschnitt1873bis 1881/82 wurde die Betriebsanlage allein durch zusätzliche Ofenbauten erweitert. Ein Blick auf das Stückkostenbildzeigt,dass diese Erweiterung in der Tat zu einer grösserenHarmoniein der mengenmässigen Zusammensetzung der benutzten Faktorenkombination geführt hat1). Das Stückkostenminimumderfür 1881/82 geltenden Stückkostenkurve liegt tiefer



1) Das Verdienst, den Begriff der harmonischen Zusammensetzung einer Mengenkombination von Faktoren und alle sich an ihn anschliessenden Ueberlegungen, insbesondere die Gesetze der Betriebserweiterung in der kostenmässigen Auswirkung erstmalig entwickelt und die Bedeutung dieses Problemkreises für die Kostentheorie klar erkannt zu haben, gebührt luar Jantzen (s. seine Arbeit Voxende Udbytte i Industrien in der Nationaløkonomisk Tidsskrift 1924, vor allem S. 39 ff).

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als das Minimum der für 1873 geltenden Stückkostenkurve. Die Harmoniekurve, d. i die Verbindungslinie der MinimabeiderStückkostenkurven — bei Parallelschaltungvongleichen Betrieben würde sie eine Parallele zur Mengenachsesein—

Ein Vergleich der Gesamtkostenkurven der Zeitabschnitte 1888/89 und 1881/82 zeigt unmittelbar eine erhebliche Senkung der Grenzkosten im Zeitabschnitt 1888/89 im Vergleich zu dem Zeitabschnitt 1881/82. Die Figur zeigt weiter, dass diese erhebliche Senkung der Grenzkosten zugleich mit einer bedeutenden Steigerung der konstanten Kosten und der Kapazität von 13800 Fass pro Monat auf 21800 Fass pro Monat verbunden gewesen ist. Der Betrieb ist also in dem betrachteten Zeitraum zu einer Produktionsmethode übergegangen, die ein zusätzliches Mengenelement mit erheblich geringeren Kosten herzustellen gestattet. Die von dem Betrieb wirklich vorgenommenen Veränderungen machen diese Tatsache ohne weiteres verständlich: Die kostspielige Handziegelei wurde durch maschinellen Zementziegelbetrieb ersetzt, verbesserte Zementöfen wurden gebaut und ältere durch Umbau verbessert, Transportvorrichtungen wurden weiter ausgestaltet. Ferner wurde im Juli 1888 eine neue Zementmahlanlage mit verbessertem Kraftantrieb und technisch vollkommeneren Mühlen in Betrieb genommen.

Zu überaus interessanten Betrachtungen gibt ein Vergleich der Gesamtkosten — bzw. Stückkostenkurven der Jahre 1888/89 und 1897 Anlass. Die Gesamtkostenkurven beider Zeitabschnitte zeigen parallelen Verlauf, was uns anzeigt, dass die von dem Betrieb in beiden Zeitabschnitten benutzten Produktionsmethoden gleichen ökonomischen Grad besitzen, woraus wTir aber, wie schon wiederholtbetont wurde, nicht ohne weiteres auf die technische Identitätder beiden Produktionsmethoden schliessen dürfen. Gerade im dem vorliegenden Falle hat der Betrieb besonders im Jahre 1893 Aenderungen im technischen Arrangement vorgenommen: Eine Dampfantriebsmaschine erfuhr 1891 bauliche Veränderungen. In der Zeit vom 1. April bis 1. September 1893 wurde die gesamte der Rohstoffaufbereitung dienende Anlage durch eine wesentlich verbesserte ersetzt. Dieser Umbau wirkte sich so stark aus, dass die bisher in zwei Schichten betriebene Anlage jetzt auf eine Schicht umgestellt werden konnte, wodurch eine Ersparnis an Arbeitskräften und eine Verringerung des Aufwandes an Löhnen

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und Gehältern erzielt wurde. Ausserdem wurden die Transporteinrichtungenund die Mühlen weiter verbessert — Aenderungen, die, wie unser Bild zeigt, den ökonomischen Grad der benutzten Produktionsmethode nicht beeinflusst haben. Es ist dem Betriebe also nicht gelungen, durch die vorgenommenen Aenderungen im technischen Arrangement den ökonomischen Grad der Produktionsmethodezu erhöhen d. h. die Grenzkosten zu senken. Wohl aber haben die Aenderungen in anderer Richtung einen Erfolg gehabt. Unser Bild zeigt uns die höchst bemerkenswerte Tatsache, dass es dem Betrieb gelungen ist, die konstanten Kosten um den Betrag HJ bei gleichzeitiger Erhöhung der Kapazität von 21800 Fass pro Monat auf 24000 pro Monat zu senke n. Wie sich diese Tatsache stück - kostenmässig ausgewirkt hat, zeigt ein Blick auf die Stückkostenkurvender Jahre 1888/89 und 1897 (Fig. 2). Die Kurve des Jahres 1897 liegt ganz unterhalb der von 1888/89. Der Betrieb konnte also die gleichen Mengen im Jahre 1897 zu einem geringeren Stückkostensatz herstellen als im Zeitabschnitt 1888/89: Der Betriebhat eine wirklich erfolgreiche »Rationalisierung« seiner Anlagedurchgeführt.

Gegenüber der Kurve des Jahres 1897 zeigt die des Jahres 1907 wieder einen flacheren Verlauf. Der Betrieb hat seine Kapazität mit einem nicht geringen Mehraufwand an konstanten Kosten von 24000 Fass pro Monat auf die beträchtliche Höhe von 37400 Fass pro Monat gebracht, ohne allerdings die Grenzkosten erheblichzu senken d. h. den ökonomischen Grad der Produktionsmethodeerheblich zu steigern. Diese nur geringfügige Aenderung im ökonomischen Grade der Produktionsmethode einerseits, sowie die beträchtliche Steigerung von Kapazität und konstanten Kosten andererseits legen die Vermutung nahe, dass der Betrieb vorwiegendeinfache Erweiterungen zum Zwecke der Erzielung einer harmonischeren Zusammensetzung der Mengenkombinationen der Faktoren vorgenommen hat, eine Vermutung, die von den Tatsachenbstätigt wird: Man hat im Zeitabschnitt von 1904 bis 1907 die Kapazität durch zusätzliche maschinelle Anlagen von gleicher technischer Beschaffenheit wie die bisherigen, sowie durch Ausbau der Zementöfen erhöht. Dass in der Tat durch diese Betriebserweiterung grössere Harmonie in der mengenmässigenZusammensetzung der Faktorenkombination erreicht worden ist, zeigt ein Blick auf das Stückkostenbild: Das Stückkostenminimumder

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kostenminimumderKurve für 1907 liegt tiefer als das der Kurve für 1897, die Harmoniekurve sinkt. Neben diesen eine einfache Erweiterung darstellenden Veränderungen hat der Betrieb gleichzeitigeinige geringfügige andere Aenderungen vorgenommen (Ersatz einer Dampfmaschine durch eine leistungsfähigere, sowie Zusammenfassung der Arbeitsvorgänge in der Rohstoffaufbereitungund Zementziegelei), aus denen die kaum merkbare Senkung der Grenzkosten zu erklären ist.