2012: Kirkehistoriske Samlinger
Artikler

Kan De sidde og ”slaa i uld”? Valgmenighedspræst Anders Nørgaards arkiv i Rigsarkivet

Publiceret 25.02.2025

Citation/Eksport

Jensen, Torkil. 2025. “Kan De Sidde Og ”slaa I uld”? Valgmenighedspræst Anders Nørgaards Arkiv I Rigsarkivet”. Kirkehistoriske Samlinger, februar, 165-208. https://tidsskrift.dk/kirkehistoriskesamlinger/article/view/144877.

Resumé

Artiklen er en gennemgang af valgmenighedspræst Anders Nørgaards privatarkiv i Rigsarkivet. Vendelboen Anders Nørgaard (1879-1943) var fra begyndelsen af 1920’erne og frem til sin død frontkæmper for en såkaldt ”grundtvigsk selvbesindelse”, der gik ud på at bringe grundtvigianismen tilbage til Grundtvigs ”kirkelige anskuelse” fra 1825. I skrift og tale for Nørgaard frem mod sin samtids grundtvigianisme, som han fandt, var kommet alt for langt væk fra dette efter hans mening centrale i Grundtvigs teologi. Det var ikke mindst humanisme og kulturoptimisme, der efter Nørgaards opfattelse havde fået alt for godt fat inden for kirke og højskole. Derfor måtte den grundtvigske bevægelse kaldes tilbage til ”hjertebladet”: mødet med Guds ord ved døbefont og nadverbord.

 

Übersicht.
Das Archiv Anders Nørgaards im Dänischen Reichsarchiv
In den 1920er und 1930er Jahren kämpfte der dänische Pfarrer Anders Nørgaard (1879-1943) darum, die Gedanken N.F.S.Grundtvigs zur Schule und Kirche eine ”Renaissance” zu geben. Dabei half ihm der dänische Volkshochschulvorsteher Aage Møller (1885-1978).
Anders Nørgaard wurde in Nordjütland geboren. Zuerst war er als Bauer ausgebildet, wollte aber gern studieren und fing im Jahre 1900 mit dem Studium der Theologie an. Nachdem er sowohl als Volkshochschullehrer als auch als Pfarrer in Jütland gearbeitet hatte, kam er im Jahre 1917 als Pfarrer nach Vejstrup auf Fünen. Hier arbeitete er bis zu seinem Tod. Anders Nørgaard war auf die Gedanken Grundtvigs bei Volkshochschulveranstaltungen in seiner Kindheit und in der Kopenhagener freien Gemeinde während seines Studiums gestoßen. Für Nørgaard ist die Kernfrage der Theologie Grundtvigs die sogenannte ”wunderbare Entdeckung” aus dem Jahre 1825: Es hat zuerst eine Gemeinde gegeben, bevor es die Schrift gab. Der auferstandene Jesus Christus spricht direkt zu uns in seinem Worte bei der Taufe und beim heiligen Abendmahl. Nørgaards Leitspruch ist ein Zitat eines Gedichts von Grundtvig: ”Nur beim Bad (Taufe) und Tisch (Abendmahl) hören wir das Wort Gottes an uns”.
Im Jahre 1984 wurde das Archiv Anders Nørgaards ins dänische Reichsarchiv eingegliedert. Dieser Artikel beruht auf einer Durchsicht dieses Archivs im Herbst 2009.
Nørgaard hat nie selbst daran gedacht, ein Archiv anzulegen. Er hat für seine Zeitgenossen gearbeitet. Im Archiv befinden sich zahlreiche Briefe von Aage Møller und einzelne Briefe von anderen Mitarbeitern Nørgaards. Leider ist viel verloren gegangen, auch das Archiv Aage Møllers. Deswegen ist es unmöglich, die Korrespondenz zwischen ihnen zu verfolgen. In Anders Nørgaards letzten Jahren scheint diese Zusammenarbeit auszuklingen. Der Grund dafür lässt sich aus dem Archivmaterial nicht feststellen.
Nørgaard sieht keinen Grund, seine Auffassung von Grundtvig zu erklären. Für ihn ist diese Auffassung, wie ein dänischer Kirchengeschichtsforscher es genannt hat, ”existenzielle Wirklichkeit”. Für Nørgaard handelt es sich bei Grundtvigs These um eine Entdeckung der Wirklichkeit, nicht um eine neue kirchliche Erfindung.

Vieles von dem, was zur Zeit Anders Nørgaards in Kirche und Volkshochschule stattfand, hatte seiner Meinung nach die Verbindung
mit diesem ”Zentrum” verloren, zu dem, was Nørgaard ”das Herz” nennt. Die Strömungen der Zeit – der Humanismus und der Positivismus – hatten die für Grundtvig zentrale Tatsache ausgeblendet, dass der Mensch zwar im Bilde Gottes geschaffen ist, aber durch den Sündenfall ein Sünder geworden ist. Dieser Begriff ist nun bei Grundtvig nicht nur negativ zu verstehen; obwohl der Mensch von Gott erlöst werden muss, hat das Bild Gottes jedoch den Sündenfall überlebt und erscheint – zum Beispiel – als Sprache und Verstehen. Diese Situation des Menschen zu verstehen, erfordert Grundtvigs Meinung nach Erhellung. Deswegen arbeitete Nørgaard in seinen letzten Jahren daran, eine dänische Kirchenschule zu errichten, die imstande sein würde, diese Lebenserhellung denen zu geben, die danach strebten.
Ein anderes wichtiges Element der Theologie Anders Nørgaards ist seine Auffassung von der Heiligen Schrift. Im Anschluss an Grundtvig setzt sich Nørgaard mit dem lutherischen ”Sola-scriptura”– Prinzip auseinander. Zwar war dies Prinzip zur Zeit Martin Luthers notwendig im Verhältnis zum Papsttum, es wurde aber der ”Grundschaden des Protestantismus” (so heisst eines der Bücher Anders Nørgaards), dass er bei diesem Schriftverständnis stehen blieb, das die Reihenfolge vertauscht und die Kirche unter die Schrift setzt, statt die Schrift unter die Kirche zu setzen. Es gab, so die These, Gottesdienst und Kirche, bevor es die Schrift gab.
Als einen Vertreter der Schrifttheologie seiner Zeit bezeichnetete Anders Nørgaard Karl Barth. Obwohl Nørgaard sich mit Barth und der dänischen dialektischen Theologie, der sogenannten “Zeitwendebewegung”, zum Beispiel in der Auseinandersetzung mit dem Humanismus einig wusste, trennten sich ihre Wege in der Auffassung von der Schrift und der Auffassung von der Rolle der Kirche. Dies hat zunächst Bedeutung für die Verkündigung, die bei Barth und der “Zeitwendebewegung” zentral ist, für Anders Nørgaard lediglich die Funktion hat, auf die Sakramente zu verweisen. Ebensowenig stimmt Barths Auffassung, dass der Mensch nach dem Sündenfall ”ein Nichts” ist, mit der Auffassung Nørgaards überein, und Nørgaard kritisiert diesen Sündenbegriff als leer und nur theologisch. Anders Nørgaard ist der Auffassung, dass bei Grundtvig “menschlich” und “christlich” nie getrennt werden. Im Gegensatz dazu vertritt der dänische Pfarrer Kaj Thaning, der zur Zeit Nørgaards sein großes Grundtvigstudium begann, die These, dass Grundvig nach seinen Englandreisen am Ende der 1820er Jahre seine Ansicht änderte und nun eben diese Trennung vornahm – eine Trennung, die Nørgaard nicht anerkennen will, weil es ihm darum geht, Grundtvigs “wunderbare Entdeckung” aus dem Jahre 1825 zu verteidigen.
Die Auffassung Thanings ist bis heute bestimmend in der dänischen Grundtvigforschung. Aber niemand kann Anders Nørgaard den Verdienst bestreiten, dass er die erste Person war, der die Gedanken Grundtvigs in den 1920er Jahren wieder aufnahm und damit die dänische Grundtvigforschung begründete, die seitdem fortgesetzt wird.