Strategien vor Gericht? Die „velleianischen Freyheiten“ im sächsischen Recht (1648-1806)
DOI:
https://doi.org/10.7146/fof.v44i3.132992Resumé
Im Rechtssystem des Alten Reiches galt der Senatus consultum velleianum als klassi-sches weibliches Rechtsinstitut für gerichtliche Argumentationen, der den Zugriff auf das Eigentum von Frauen verhindern konnte bzw. sollte. In charakteristischer Weise wurde etwa in Zedlers Universal-Lexicon 1747 das Institut damit begründet, dass „Frauen in Ansehung ihrer weiblichen Blödigkeit und Einfältigkeit, daß sie nicht listiglich und mit guten Worten etwan hintergangen werden und in Schaden kommen, […] daß sich das Weib damit helffen kann, wenn sie sich von ihren Mann, oder ihr eigen Gut, oder sich selbst verschreiben, daß solches nicht kräfftig sey, und geachtet wird, als wenn die Verschreibung niemals gesche-hen.“ Der im Usus modernus unter die Begriffe „Rechtswohltaten“ oder „weibliche Freyhei-ten“ subsumierte Senatus consultum velleianum war kein Bestandteil des mittelalterlich-deutschen Bürgschaftsrechts, sondern ging auf eine der wichtigsten Einschränkungsklauseln weiblicher Verpflichtungsfähigkeit im römischen Recht des Corpus Iuris zurück. Schutzbe-dürftig erschien die Frau vor allem wegen ihrer imbecillitas, fragilitas und der infirmitas se-xus, aus der unbedachte und für die Frau ungünstige Rechtsgeschäfte resultieren könnten. Dementsprechend unterlagen Frauen einem Interzessionsverbot für Geschäfte, die im Interes-se Dritter abgeschlossen wurden. Der Senatus consultum velleianum stand sowohl in den Normen als auch Diskursen in engem Zusammenhang mit der Geschlechtsvormundschaft, konnte allerdings auch in Rechtsregionen ohne Kuratel geltendes Recht sein.